Schizophrenie

Risikofaktoren für einen Therapieabbruch bei Erstepisode-Patienten


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

Von 400 Patienten mit einer ersten schizophrenen Episode, die randomisiert einer einjährigen Therapie mit Quetiapin, Olanzapin oder Risperidon zugeteilt worden waren, brachen 28,8% die Behandlung entgegen dem ärztlichen Rat vorzeitig ab. Ein geringer Behandlungserfolg und die Nichteinhaltung der Medikamenteneinnahme waren unabhängige Prädiktoren für den Behandlungsabbruch. Non-Compliance fand sich am häufigsten bei Patienten mit Substanzmissbrauch, mit einer fortbestehenden Depression, mit höheren kognitiven Leistungen zu Beginn der Studie und bei Remission.

Non-Compliance bei Patienten mit der ersten schizophrenen Episode ist ein bekanntes Problem. Naturalistische Studien zeigen, dass innerhalb eines Jahres nach Beginn der Behandlung bis zu 60% der Patienten ihre Medikamente nicht wie vorgeschrieben einnehmen. Eine suboptimale Behandlung vergrößert das Risiko für einen Rückfall, eine unzureichende funktionelle Verbesserung und für beeinträchtigende therapieresistente Symptome.

In einer doppelblinden Studie über 52 Wochen wurden Risikofaktoren für einen Behandlungsabbruch gegen den ärztlichen Rat bei Patienten mit der ersten schizophrenen Episode identifiziert. In den Jahren 2002 bis 2004 wurden in 26 US-amerikanischen und kanadischen Zentren 16- bis 40-jährige Patienten mit der DSM-IV-Diagnose einer Schizophrenie, schizophreniformen oder einer schizoaffektiven Störung eingeschlossen. Die Patienten hatten einen Score von ≥4 bei wenigstens einem Psychose-Item der Positive and Nega-tive Syndrome Scale (PANSS) und von ≥4 (mäßig krank) auf der Clinical Global Impression Scale, Teil: Schweregrad der Erkrankung (CGI-S). Ausgeschlossen waren Patienten, die von der vorhergehenden Episode mehr als 3 Monate remittiert waren, die länger als 5 Jahre erkrankt waren und die für mehr als 16 Wochen mit einem Antipsychotikum vorbehandelt waren. Die Patienten wurden randomisiert einer Behandlung mit flexiblen Dosen von Olanzapin (2,5–20 mg/d), Quetiapin (100–800 mg/d) oder Risperidon (0,5–4 mg/d) zugeteilt.

Primäre Zielparameter waren Behandlungsabbruch entgegen dem ärztlichen Rat und Fremdbeurteilung der Medikamenteneinnahme (Patient nimmt Medikation <25% [Skalenwert 1], 25–50% [2], 50–75% [3], 75–100% [4] der Behandlungszeit).

Mögliche Risikoparameter für einen Behandlungsabbruch wurden in folgenden Bereichen gesucht:

Krankheitseinsicht und Einstellung zu einer Therapie mithilfe des Insight and Treatment Attitudes Questionnaire (ITAQ)

Behandlungserfolg mithilfe der PANSS (Score ≤3 bei allen Items), der CGI-S (Score von ≤3 = leicht krank) und der Calgary Depression Scale für Schizophrenia

Verträglichkeit der Behandlung

Alkohol- und Substanzmissbrauch

Neurokognitive Funktionen

Die 400 eingeschlossenen Patienten ließen sich am Ende der Studie in 3 Gruppen einteilen:

  • Patienten mit regulärem Studienabschluss (n=119),
  • Patienten, die gegen den ärztlichen Rat abgebrochen haben (n=115), und
  • Patienten, die aus anderen Gründen ausschieden oder mit ärztlichem Einverständnis die Therapie beendet oder umgestellt (n=166) haben und daher nicht ausgewertet wurden.

Insgesamt brachen 28,8% der Patienten die Behandlung entgegen dem ärztlichen Rat ab. Die Abbruchraten in den drei Behandlungsarmen waren ähnlich.

Signifikante Risikofaktoren für einen Behandlungsabbruch waren unabhängig voneinander geringes Ansprechen auf die Therapie und Non-Compliance (Abb. 1). Unabhängig vom Ansprechen auf die Behandlung bedeutete jeder Punkt Verbesserung auf der Skala zur Beurteilung der Medikamenteneinnahme (von 1 bis 4) eine Reduktion der Abbruchrate um 30%.

Abb. 1. Kaplan-Meier-Überlebenskurven für die Zeit bis zum Abbruch gegen den ärztlichen Rat in Abhängigkeit vom Behandlungserfolg oder der Compliance mit der Medikamenteneinnahme

Die stärksten Vorzeichen für Non-Compliance waren Substanzmissbrauch und das Fortbestehen einer Depression. Höhere kognitive Leistungen bei Einschluss in die Studie und Remission im Verlauf waren ebenfalls signifikante Vorzeichen für Non-Compliance. Dagegen hatten Nebenwirkungen der Behandlung keinen Einfluss auf Medikamenteneinnahme und Abbruchwahrscheinlichkeit.

Nach Meinung der Autoren legen die Ergebnisse der Studie die Entwicklung von Interventionen zur Verbesserung der Compliance nahe, wobei die in dieser Studie gefundenen Risikoparameter besonders berücksichtigt werden sollten.

Kommentar

Hohe Abbruchraten bei Patienten mit einer ersten Episode können nicht nur fatale Folgen im Behandlungsalltag haben. Darüber hinaus schwächen sie auch die Aussagen der Ergebnisse klinischer Studien. Auch deutsche forschende Psychiater haben dies beklagt und arbeiten an Konzepten zur Verbesserung der Begleitung dieser Patienten in kritischen Perioden der Behandlung (siehe Gaebel W et al., J Clin Psychiatry 2007;68:1763–74). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie könnten bei der Ausarbeitung solcher Konzepte und Materialien hilfreich sein.

Quelle

Perkins DO, et al. Predictors of treatment discontinuation and medication nonadherence in Patients recovering from a first episode of schizophrenia, schizophreniform disorder or schizoaffective disorder: A randomized, double-blind, flexible-dose, multicenter study. J Clin Psychiatry 2008;69: 106–13.

Psychopharmakotherapie 2009; 16(02)