Depression und Angststörungen

Die Therapierelevanz körperlich schmerzhafter Symptome nicht unterschätzen


Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Körperlich schmerzhafte Symptome treten häufig im Rahmen von Depressionen und generalisierter Angststörung auf. Sie verschlechtern die Prognose der Patienten, erzeugen zusätzliche Kosten und reduzieren die Chance auf eine vollständige Remission. Der duale Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Duloxetin lindert sowohl die psychische Symptomatik als auch die körperlich schmerzhaften Beschwerden im Rahmen von Depressionen und generalisierten Angststörungen und kann so einen Therapievorteil bieten.

Körperliche Beschwerden, insbesondere Schmerzen, sind ein häufiges Symptom der Depression. Aktuelle Daten weisen darauf hin, dass 93% der depressiven Patienten mindestens ein körperliches Symptom aufweist; die meisten Betroffenen leiden aber unter einer Vielzahl an körperlichen Beschwerden. Grundsätzlich kann jedes Organ betroffen sein. Besonders häufig berichten depressive Patienten allerdings über Rückenschmerzen (69%), Schmerzen im Bereich der Extremitäten (58%) und der Gelenke (49%). In der Mehrzahl der Fälle (57,5%) sind die Schmerzen mittelschwer bis schwer ausgeprägt.

Primäres Ziel jeder antidepressiven Therapie ist das Verschwinden aller depressiven Symptome – einschließlich der körperlichen Begleitsymptome. Die meisten Antidepressiva verbessern allerdings nur die typischen psychischen Symptome der Depression, nicht aber die körperlich schmerzhaften Beschwerden.

Damit sinken die Aussichten auf eine vollständige Remission. Denn die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls nimmt stark zu, wenn trotz einer Therapie körperliche oder seelische Residualsymptome bestehen bleiben. Körperliche Beschwerden stellen somit ein wesentliches Rückfallrisiko für depressive Patienten dar.

Körperliche Begleitsymptome werden häufig verkannt

Die körperlichen Begleitsymptome der Depression sind oft der Auslöser dafür, dass der Betroffene überhaupt ärztlichen Rat sucht. Insgesamt erfassen Ärzte die psychischen Symptome ihrer Patienten wesentlich besser als die körperlichen. Die PADRE-Studie (Painful physical symptoms in depressed patients: relation to treatment outcomes in clinical practice) hat ergeben, dass die Einschätzung des Schweregrads der körperlich schmerzhaften Symptome einer Depression durch den Arzt nur zum Teil mit der Einschätzung des Patienten korreliert. Während Ärzte für die Beurteilung des Erfolgs einer antidepressiven Therapie die Abnahme der psychischen Symptomatik und die Verbesserung der sozialen Kontaktfähigkeit heranziehen, sind für die Patienten die Linderung sowohl der psychischen als auch der körperlich schmerzhaften Symptome primäre Erfolgskriterien.

Die körperlich schmerzhaften Symptome einer Depression haben gravierende Konsequenzen für die Alltags- und Arbeitsfähigkeit der Patienten. So weisen Patienten mit körperlichen Beschwerden im Rahmen der Depression 9,4 Arbeitunfähigkeitstage pro Monat auf, depressive Patienten ohne körperliche Beschwerden dagegen nur 4,5 Arbeitsunfähigkeitstage pro Monat. Schon geringfügig ausgeprägte Schmerzen können die Prognose der Patienten deutlich verschlechtern.

Sprechen die körperlich schmerzhaften Symptome auf die Therapie an, bestimmt durch eine Reduktion der Werte auf der visuellen Analogskala (VAS) um mindestens 50%, dann steigt die Chance auf eine Remission der Depression (Hamilton-Depressionsskala [HAMD] ≤7). In der Studie von Fava et al. (2007) erreichten 36% der Patienten, deren schmerzhafte Symptome angesprochen hatten, eine Remission der Depression im Vergleich mit 18% derjenigen, die kein Ansprechen bezüglich der körperlich schmerzhaften Symptome zeigten.

Neben Patienten mit Depressionen leiden auch Patienten mit Angststörungen, insbesondere mit einer generalisierten Angststörung (GAS), häufig unter schmerzhaften Begleitsymptomen, was die Angst wiederum potenzieren und so einen Teufelskreis in Gang setzen kann. Je ausgeprägter die Angstsymptomatik ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Auftreten körperlich schmerzhafter Beschwerden und umgekehrt.

Stärkung des serotonergen und noradrenergen Systems

Absteigende serotonerge und noradrenerge Bahnen hemmen den nozizeptiven Input von den inneren Organen und der Skelettmuskulatur. Eine Funktionsstörung in diesen beiden Nervenbahnen kann zu einer erhöhten Schmerzsensitivität führen. Hier liegt der Angriffspunkt für eine kombinierte Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahmehemmung mit Duloxetin (Cymbalta®). Der SNRI zeigt zusätzlich zu einer antidepressiven auch einen schmerzlindernden Effekt. Die Wirkung auf die psychischen Symptome ist mit der von anderen modernen Antidepressiva vergleichbar. Darüber hinaus hat Duloxetin eine gleichzeitige Wirkung auf körperliche Beschwerden, insbesondere Schmerzen, die häufig im Rahmen von Depressionen und GAS auftreten. Im Gegensatz zu vielen anderen Antidepressiva hat der SNRI ein geringes Risiko für Sedierung und Gewichtszunahme. Aufgrund seiner zwei Wirkungen, einem direkten Effekt auf die psychische Symptomatik und einem davon unabhängigen zusätzlichen inhibitorischen Effekt auf die schmerzhafte Symptomatik im Rahmen einer Depression und einer GAS, kann Duloxetin in der Behandlung beider Krankheiten einen Therapievorteil bieten.

Quellen

Prof. Dr. med. Hans-Peter Volz, Werneck, Pressegespräch „MDD und GAD – Einfluss der Behandlung körperlich schmerzhafter Symptome auf den Therapieerfolg“, veranstaltet von Boehringer Ingelheim und Lilly im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin, 27. November 2008.

Fava M, et al. The effect of duloxetine on painful physical symptoms in depressed patients: do improvements in these symptoms result in higher remission rates? J Clin Psychiatry 2004;65:521–30.

Psychopharmakotherapie 2009; 16(02)