Schizophrenie

Antipsychotika der ersten und zweiten Generation im Vergleich


Bettina Christine Martini, Legau

In einer großen Metaanalyse wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Antipsychotika der ersten und zweiten Generation verglichen. Das Ergebnis zeigt, dass die allgemeine Aussage, Substanzen der zweiten Generation würden die Negativsymptomatik besser beeinflussen und weniger extrapyramidal-motorische Störungen verursachen, so nicht haltbar ist. Vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung jeder einzelnen Substanz angezeigt.

Als Hauptvorteile der Antipsychotika der zweiten Generation gelten eine bessere Wirkung, insbesondere gegenüber der Negativsymptomatik, sowie eine geringere Rate extrapyramidal-motorischer Störungen. Nicht zuletzt aufgrund der meist höheren Kosten der Antipsychotika der zweiten Generation werden diese Vorteile aber immer wieder in Frage gestellt.

Nun wurde eine Metaanalyse veröffentlicht, in der die Unterschiede in Wirksamkeit und Verträglichkeit von Antipsychotika der ersten und zweiten Generation verglichen wurden. Einbezogen wurden 150 doppelblinde, randomisierte klinische Studien mit mehr als 21533Schizophrenie-Patienten. Die meisten Studien (81%) dauerten bis zu 12 Wochen, nur 8% länger als 6 Monate. Der Fokus der Analyse lag auf der Gesamtbesserung der schizophrenen Symptomatik, außerdem wurden Wirkungen auf Positiv- und Negativsymptomatik sowie auf depressive Verstimmungen differenziert betrachtet. Bei der Verträglichkeit wurden vor allem Häufigkeit extrapyramidal-motorischer Störungen, Gewichtszunahme und Sedierung verglichen.

Besserung der Gesamtsymptomatik

Für Amisulprid, Clozapin, Olanzapin und Risperidon ergab sich eine signifikant bessere Wirksamkeit mit einer Number needed to treat, um einen zusätzlichen Responder zu haben, zwischen 6 für Amisulprid und 15 für Risperidon (Abb. 1).

Abb. 1. Ergebnisse der Metaanalyse von Leucht et al. zur Wirksamkeit antipsychotischer Arzneimittel der zweiten Generation im Vergleich zur ersten Generation

Dagegen waren fünf der untersuchten Antipsychotika der zweiten Generation (Aripiprazol, Quetiapin, Sertindol, Ziprasidon, Zotepin) nicht signifikant besser wirksam als die Vergleichssubstanzen der ersten Generation. In 95 der 150 Studien war Haloperidol die Vergleichssubstanz, aber auch Chlorpromazin (n=28), Perphenazin (n=5), Fluphenazin (n=4), Flupentixol (n=3), Perazin (n=3) und weitere dienten als Vergleich.

Einfluss auf Positiv- und Negativsymptome

Die vier Antipsychotika der zweiten Generation mit signifikant besserer Wirksamkeit, also Amisulprid, Clozapin, Olanzapin und Risperidon, verbesserten sowohl die Positiv- als auch die Negativsymptomatik signifikant stärker als die Antipsychotika der ersten Generation (Abb. 1). Bei den anderen Substanzen der zweiten Generation zeigte sich weder bei der Positiv- noch bei der Negativsymptomatik ein signifikanter Vorteil zugunsten der neueren Substanzen.

Ein leicht abweichendes Ergebnis zeigte sich für die Verbesserung depressiver Verstimmungen: Hier waren Amisulprid, Clozapin, Aripiprazol und Quetiapin den älteren Substanzen überlegen, wohingegen für Risperidon kein signifikanter Vorteil nachgewiesen werden konnte (Abb. 1).

Vergleich der Nebenwirkungen

Antipsychotika der ersten Generation werden unterteilt in hoch- und niederpotente Neuroleptika. Diese unterscheiden sich insbesondere in der Häufigkeit bestimmter Nebenwirkungen. Daher wurde auch die Auswertung der unerwünschten Wirkungen in dieser Metaanalyse differenziert vorgenommen, einmal als Vergleich gegenüber Haloperidol und einmal gegenüber niedrigpotenten Neuroleptika.

Extrapyramidal-motorische Störungen. Mit sämtlichen Antipsychotika der zweiten Generation traten weniger extrapyramidal-motorische Störungen auf als mit Haloperidol (Abb. 2). Vergleicht man die neueren Antipsychotika aber mit den niedrigpotenten Substanzen der ersten Generation, fällt der Vergleich anders aus: Nur Clozapin, Olanzapin und Risperidon zeigten signifikant weniger extrapyramidal-motorische Störungen als niedrigpotente Neuroleptika der ersten Generation. Nur bei Clozapin beruht dieser Unterschied auf mehr als zwei Studien (Abb. 2).

Abb. 2. Häufigkeit extrapyramidal-motorischer Störungen von Antipsychotika der zweiten Generation verglichen mit Haloperidol und niedrigpotenten Neuroleptika (*plus Antiparkinson-Therapie)

Gewichtszunahme. Bei den meisten Substanzen der zweiten Generation wurde im Vergleich zu Haloperidol eine stärkere Gewichtszunahme beobachtet, so bei Amisulprid, Clozapin, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon, Sertindol und Zotepin. Lediglich bei Aripiprazol und Ziprasidon ergab sich keine höhere Gewichtszunahme (Tab. 1).

Tab. 1. Gewichtsveränderung [kg] mit Antipsychotika der zweiten Generation im Vergleich zu Haloperidol und niedrigpotenten Antipsychotika der ersten Generation (K.A. = keine Angabe)

Gewichtsveränderung [kg] (95%-Konfidenzintervall)

p-Wert

Vergleich mit Haloperidol

Amisulprid

+0,9 (0,2; 1,6)

0,012

Aripiprazol

+0,6 (–0,12; 1,2)

0,071

Clozapin

+3,4 (2,0; 4,9)

<0,0001

Olanzapin

+3,3 (2,2; 4,4)

<0,0001

Quetiapin

+1,4 (0,9; 2,4)

<0,0001

Risperidon

+3,3 (0,2; 6,4)

0,040

Sertindol

+0,1 (–1,2; 1,3)

0,887

Ziprasidon

+2,7 (1,7; 3,7)

<0,0001

Zotepin

+2,7 (1,7; 3,7)

<0,0001

Vergleich mit niedrigpotenten Antipsychotika der ersten Generation

Amisulprid

+0,3 (–3,6; 4,2)

0,881

Aripiprazol

K. A.

K. A.

Clozapin

+0,3 (–1,6; 2,2)

0,753

Olanzapin

K. A.

K. A.

Quetiapin

+0,5 (–1,0; 2,0)

0,518

Risperidon

K. A.

K. A.

Sertindol

K. A.

K. A.

Ziprasidon

–1,1 (–2,3; 0,2)

0,087

Zotepin

+1,0 (–0,9; 2,9)

0,306

Im Vergleich zu den niedrigpotenten Substanzen der ersten Generation ergaben sich keine signifikanten Gewichtszunahmen (Tab. 1).

Sedierung. Signifikant stärker sedierend im Vergleich zu Haloperidol waren in der Metaanalyse Clozapin, Quetiapin und Zotepin. Aripiprazol war dagegen signifikant weniger sedierend als Haloperidol (Tab. 2).

Im Vergleich zu den niedrigpotenten Substanzen der ersten Generation war nur Clozapin stärker sedierend (Tab. 2).

Tab. 2. Relatives Risiko für Sedierung mit Antipsychotika der zweiten Generation im Vergleich zu Haloperidol und niedrigpotenten Antipsychotika der ersten Generation (K. A. = keine Angabe)

Relatives Risiko für Sedierung (95%-Konfidenzintervall)

p-Wert

Vergleich mit Haloperidol

Amisulprid

0,69 (0,15; 3,13)

0,634

Aripiprazol

0,65 (0,45; 0,95)

0,024

Clozapin

1,50 (1,01; 2,23)

0,043

Olanzapin

0,95 (0,82; 1,10)

0,507

Quetiapin

2,07 (1,01; 4,27)

0,047

Risperidon

0,86 (0,70; 1,05)

0,137

Sertindol

0,77 (0,44; 1,34)

0,360

Ziprasidon

1,59 (0,82; 3,08)

0,169

Zotepin

1,86 (1,04; 3,33)

0,037

Vergleich mit niedrigpotenten Antipsychotika der ersten Generation

Amisulprid

K. A.

K. A.

Aripiprazol

K. A.

K. A.

Clozapin

1,32 (1,10; 1,59)

0,003

Olanzapin

0,68 (0,41; 1,12)

0,132

Quetiapin

0,49 (0,23; 1,03)

0,061

Risperidon

2,59 (0,29; 22,94)

0,393

Sertindol

K. A.

K. A.

Ziprasidon

0,67 (0,44; 1,01)

0,055

Zotepin

1,09 (0,69; 1,73)

0,719

Diskussion, Fazit

Die Ergebnisse der Metaanalyse zeigen insbesondere, dass weder die Antipsychotika der ersten noch der zweiten Generation eine wirklich homogene Gruppe sind und sich in vielen Eigenschaften unterscheiden, darunter Wirksamkeit, Nebenwirkungen und auch Kosten (inzwischen sind auch bei manchen Substanzen der zweiten Generation Generika verfügbar).

Die Autoren betonen daher in ihrer Diskussion, dass eine Verallgemeinerung der Unterschiede zwischen Antipsychotika der ersten und zweiten Generation nicht möglich ist, vielmehr sei eine individuelle Betrachtung der Substanzen und somit eine individuelle Therapieentscheidung nötig.

Quelle

Leucht S, et al. Second-generation versus first-generation antipsychotic drugs for schizophrenia: a meta-analysis. Lancet 2009;373:31–41.

Psychopharmakotherapie 2009; 16(02)