Typische und atypische Antipsychotika

Langfristig kaum Unterschiede bei Gewichtszunahme und metabolischen Veränderungen


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

Bei bisher unbehandelten schizophrenen Patienten wurden Lipidprofil und glykämische Parameter unter Haloperidol und den Antipsychotika der zweiten Generation, Risperidon und Olanzapin, über eine Behandlungszeit von drei Monaten untersucht [1], die Änderungen des Körpergewichts wurden über ein Jahr verfolgt [2]. Die Lipidparameter änderten sich unter allen drei Antipsychotika. Die glykämischen Parameter veränderten sich in keiner der Behandlungsgruppen. Gewichtszunahme und Erhöhung des Body-Mass-Index (BMI) waren nach drei Monaten bei den mit Olanzapin behandelten Patienten signifikant größer als bei den Haloperidol-Patienten. Nach einem Jahr gab es jedoch keine Unterschiede mehr zwischen den drei Behandlungsgruppen.

Die Fortschritte der neuen Antipsychotika gegenüber den älteren liegen vermutlich weniger in einer besseren Wirksamkeit, sondern vielmehr in der besseren Verträglichkeit, insbesondere im geringeren Auftreten extrapyramidal-motorischer Symptome (EPMS).

Dagegen scheinen andere Nebenwirkungen, wie die Zunahme des Körpergewichts oder metabolische Veränderungen, unter den neuen Substanzen nicht seltener zu sein. In der Literatur werden größere Gewichtszunahmen unter Olanzapin beschrieben (bis 9,2 kg innerhalb von 12 Wochen), geringere unter Risperidon und geringfügige unter Haloperidol.

Ein Vergleich dieser Daten wird allerdings erschwert durch Unterschiede in den jeweiligen Studienbedingungen, wie einer bereits erfolgten Vorbehandlung mit Antipsychotika oder der Behandlungsdauer.

Dyslipidämie und Hyperglykämie wurden insbesondere mit einer Olanzapin-Behandlung in Verbindung gebracht. Risperidon kann vermutlich ebenso die Kontrolle des Blutzuckers stören, scheint aber keinen Einfluss auf das Lipidprofil zu haben. Haloperidol wird in der Literatur nur geringe Effekte auf den Fett- und Glucosestoffwechsel zugeschrieben.

Das Ziel der vorliegenden prospektiven, randomisierten, offenen Studien war die Untersuchung von Stoffwechselstörungen im Zeitraum von drei Monaten [1] und der Gewichtszunahme im Verlauf eines Jahres [2] unter einer Monotherapie von Haloperidol, Risperidon oder Olanzapin bei Patienten, die ihre erste schizophrene Episode erlebten und noch nicht vorbehandelt waren. Die Patienten erhielten also in dieser Studie zum ersten Mal ein Antipsychotikum.

Patienten

Die Daten beider Publikationen wurden vermutlich bei denselben Patienten erhoben, mit dem Unterschied, dass die Stoffwechseluntersuchungen nur bei den 15- bis 50-jährigen Patienten vorgenommen wurden, während für die Untersuchung des Körpergewichts und des BMI auch bis zu 60-jährige Patienten eingeschlossen wurden. Alle anderen Ein- und Ausschlusskriterien sowie die Studienbedingungen waren identisch.

Eingeschlossen wurden ambulante oder stationäre schizophrene Patienten, die ihre erste schizophrene Episode hatten, bisher nicht mit Antipsychotika behandelt worden waren und für die die DSM-IV-Kriterien einer psychotischen Störung, schizophreniformen Störung, Schizophrenie oder schizoaffektiven Störung zutrafen.

Ausgeschlossen blieben Patienten mit einer Substanzabhängigkeit, mentalen Retardierung oder einer ernsthaften körperlichen Erkrankung.

Zur Untersuchung des Körpergewichts und des BMI wurden 164 Patienten eingeschlossen. Sie wurden randomisiert einer Behandlung mit Haloperidol (3 bis 9 mg/d; n=52), Olanzapin (5 bis 20 mg/d; n=54) oder Risperidon (3 bis 6 mg/d; n=58) zugeteilt. Bei Auftreten klinisch signifikanter EPMS durften Anticholinergika (Biperiden bis 8 mg/d) eingesetzt werden. Nach einem Jahr wurden noch 24 Patienten mit Haloperidol, 36 Patienten mit Olanzapin und 35 Patienten mit Risperidon behandelt.

In die Stoffwechseluntersuchungen wurden insgesamt 145 Patienten eingeschlossen.

Messparameter

Die primären Zielparameter waren: morgendliche Spiegel des Gesamtcholesterols, der Triglyceride, des LDL-Cholesterols, des High-Density-Lipoprotein-(HDL-)Cholesterols, der Glucose und des Insulins. Weitere primäre Zielparameter waren Körpergewicht und BMI (18,5–24,9: normal; 25–29,9: übergewichtig; ≥30: fettleibig).

Ergebnisse

Keines der Antipsychotika veränderte die glykämischen Parameter. Dagegen stiegen die Gesamtcholesterolspiegel und das LDL-Cholesterol unter allen drei Behandlungen signifikant. Die Triglyceride stiegen nur unter Olanzapin signifikant und nur unter Haloperidol kam es zu einem Abfall des HDL-Cholesterols (Tab. 1).

Tab. 1. Änderungen der Lipidparameter vom Einschluss bis zur Woche 12 unter Haloperidol, Olanzapin und Risperidon bei bisher unbehandelten schizophrenen Patienten mit einer ersten Episode

Variable

Haloperidol

Olanzapin

Risperidon

Gesamtcholesterol [mg/dl]

+14,49

+22,95

+12,00

Trigyceride [mg/dl]

+2,42

+28,06*

+1,26

LDL-Cholesterol [mg/dl]

+16,22

+15,31

+10,21

HDL-Cholesterol [mg/dl]

–3,51**

–0,22

+2,33

*p=0,009 vs. Haloperidol, p=0,005 vs. Risperidon; ** p=0,032 vs. Risperidon

Der mittlere BMI bei Einschluss war 23,1 kg/m2. Die mittlere Gewichtszunahme war nach drei Monaten 5,8 kg und nach einem Jahr 10,5 kg. Zu Beginn lagen 27,1% Patienten über dem Normalgewicht (22,6% übergewichtig, 4,5% fettleibig). Nach drei Monaten war dieser Anteil auf 47,6% (38,6 übergewichtig, 9% fettleibig) und nach einem Jahr auf 60,4% (34,7% übergewichtig, 25,7% fettleibig) gestiegen.

Nach drei Monaten war die Zunahme des Gewichts und des BMI in der Olanzapin-Gruppe signifikant stärker als in der Haloperidol-Gruppe. Die Olanzapin-Patienten hatten auch stärker zugenommen als die Risperidon-Patienten (Abb. 1).

Abb. 1. Verlauf der Gewichtszunahme bei nicht vorbehandelten Patienten unter Haloperidol, Olanzapin und Risperidon im Verlauf eines Jahres

Nach einem Jahr wurden keine Unterschiede mehr in der Zunahme von Gewicht und BMI zwischen den Behandlungsgruppen gefunden. Unterschiedlich war also nur der Verlauf der Zunahme (Haloperidol kontinuierlich über den Beobachtungszeitraum; Olanzapin zunächst rasch, dann ein Abflachen der Zunahme), nicht aber ihr Gesamtumfang nach längerer Therapie.

Bemerkenswert ist, dass 17 Haloperidol-, aber nur 6 Olanzapin- und 8 Risperidon-Patienten die Studie wegen Nebenwirkungen vorzeitig beendeten und dass 76,1% der Haloperidol-Patienten nach drei Monaten und 45,8% noch nach einem Jahr Anticholinergika einnahmen. Unter Olanzapin waren es 4,1% bzw. 0% und unter Risperidon 38,5% bzw. 31,4%.

Extrapyramidal-motorische Symptome sind also unter den Atypika seltener aufgetreten als unter Haloperidol.

Kommentar

Die Bedeutung dieser Untersuchungen liegt darin, dass sie an nicht vorbehandelten Patienten durchgeführt wurden, das heißt, bereits erfolgte Änderungen des Stoffwechsels und Körpergewichts aufgrund einer Vorbehandlung mit einem Antipsychotikum waren ausgeschlossen. Die Ergebnisse konnten so eindeutiger der Studienbehandlung zugeordnet werden. Die fehlende Vorbehandlung ist eine mögliche Erklärung für die dramatischen Veränderungen im Körpergewicht und BMI, die sich in diesem Umfang bei vorbehandelten Patienten vermutlich nicht gezeigt hätten.

Die Änderungen des Köpergewichts und des BMI über ein Jahr legen nahe, dass ein Beobachtungszeitraum von nur 12 Wochen zur Beurteilung von Langzeiteffekten zu kurz sein kann. Es wäre daher interessant gewesen, auch die Stoffwechselparameter über den längeren Zeitraum zu verfolgen.

In diesen Untersuchungen waren die Veränderungen der untersuchten Stoffwechselparameter und des Körpergewichts zwischen den drei Antipsychotika gering und es scheint danach, dass diese Parameter keine Entscheidungshilfe für die Auswahl bei der Verschreibung eines Antipsychotikums sind. Jedoch bestätigt die Studie im Nebenergebnis die bessere Verträglichkeit der neueren Substanzen.

Quellen

1. Perez-Iglesias R, et al. A 12-week randomized clinical trial to evaluate metabolic changes in drug-naive, first-episode psychosis patients treated with haloperidol, olanzapine, or risperidone. J Clin Psychiatry 2007;68:1733–40.

2. Perez-Iglesias R, et al. Weight gain induced by haloperidol, risperidone and olanzapine after 1 year: Findings of a randomized clinical trial in a drug-naïve population. Schizophr Res 2008;99:13–22.

Psychopharmakotherapie 2009; 16(01)