Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Behandlung Antipsychotika-induzierter Gewichtszunahme


Rosemarie Ziegler, Albershausen

Mit einem veränderten Lebensstil und/oder dem oralen Antidiabetikum Metformin (z. B. Glucophage®) kann bei schizophrenen Patienten wirksam das Körpergewicht gesenkt und die Insulinempfindlichkeit gesteigert werden. Das belegen die Daten einer chinesischen Studie.

Gewichtszunahme als häufige Begleiterscheinung der medikamentösen Therapie psychiatrischer Erkrankungen wurde schon vor 50 Jahren beobachtet, die klinische Relevanz dieser Nebenwirkung aber erst in letzter Zeit erkannt. Noch stärker als die konventionellen Neuroleptika können die neueren atypischen Antipsychotika zur Entwicklung einer Adipositas und den daraus resultierenden Krankheiten führen. Wie Tabelle 1 zeigt, beeinflussen sie den Stoffwechsel allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Gemäß einer kürzlich veröffentlichten Studie von Alvarez- Jiménez et al. stieg bei 78,8% der Patienten, die atypische Neuroleptika einnahmen, das ursprüngliche Körpergewicht um mehr als 7%. Eine Gewichtszunahme bedingt jedoch nicht nur eine schlechtere Compliance, sondern setzt vor allem die Risikokette metabolisches Syndrom – kardiovaskuläre Erkrankung in Gang. Schizophrene Patienten haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine um etwa 20% niedrigere Lebenserwartung, wobei der Herztod eine führende Rolle spielt.

Tab. 1. Metabolische Veränderungen unter atypischen Neuroleptika

Substanz

Gewichtszunahme

Diabetesrisiko

Lipidprofil

Clozapin

+++

+

+

Olanzapin

+++

+

+

Risperidon

++

D

D

Quetiapin

++

D

D

Aripiprazol*

+/–

Ziprasidon

+/–

+ = Zunahme, - = kein Effekt, D = diskrepante Befunde; * neuere Substanzen mit limitierter Langzeitdatenlage; Consensus Statement: ADA, APA, AACE, NAASO, Diabetes Care 2004;27:596–601.

Die medikamentöse Beeinflussung nahezu aller psychopharmakotherapeutisch anvisierten Neurorezeptoren verändert auch das Essverhalten. So hemmt beispielsweise Histamin stark den Appetit, eine Blockade der Histamin-1-Rezeptoren durch atypische Neuroleptika führt folglich zur Appetitsteigerung.

Periphere und zentralnervöse Appetit-regulierende Signale gelangen in verschiedene Hypothalamusregionen und beeinflussen ihrerseits über Effektorsysteme die Nahrungsaufnahme. Dieser Mechanismus kann einen Angriffspunkt für Gegenmaßnahmen darstellen. Als wesentlich für die Gewichtszunahme gilt aber auch der antipsychotische Effekt als solcher, da er infolge der erwünschten Stressreduktion den Grundumsatz herabsetzt. Auch das häufige Zusammentreffen von affektiven Erkrankungen und Diabetes mellitus wird durch die pathophysiologische Interaktion endokrin-immunologischer Faktoren zu erklären versucht. Vor einigen Jahren konnte die tatsächliche Erhöhung der Insulinresistenz durch die Einnahme atypischer Neuroleptika nachgewiesen werden.

Studienziel und -design

Um die Wirksamkeit medikamentöser Maßnahmen und Lebensstil-Interventionen bei Antipsychotika-induzierter Gewichtszunahme und veränderter Insulinempfindlichkeit zu prüfen, wurde eine zwölfwöchige, randomisierte Plazebo-kontrollierte Studie in China durchgeführt. 128 Patienten mit einer schizophrenen Erstepisode, deren Erkrankung mit Clozapin, Olanzapin, Risperidon oder Sulpirid stabilisiert werden konnte (Gesamtpunkte der Positiv- und Negativskala [PANSS] ≤60) und die mit der Therapie mindestens 10% an Gewicht zunahmen, wurden folgenden Gruppen zugeteilt:

Gruppe 1: 3x/d 250 mg Metformin + Änderung des Lebensstils

Gruppe 2: 3x/d 250 mg Metformin

Gruppe 3: Plazebo + Änderung des Lebensstils

Gruppe 4: Plazebo

Die Änderung des Lebensstils bestand dabei aus einem psychologischen Ernährungsprogramm (Woche 0, 4, 8 und 12), einer Diät (<30% Fett [<7% mit gesättigten Fettsäuren], 55% Kohlenhydrate, >15% Protein; mind. 15 g Ballaststoffe/1000 kcal) und Ausdauersport.

Primäre Studienendpunkte waren die Gewichtsveränderung, der Body-Mass-Index (BMI), der Taillenumfang, die Nüchtern-Glucose- und Insulinspiegel sowie der Insulinresistenzindex (IRI, = Insulin [nüchtern, µU/ml] x Blutzucker [nüchtern, mg/dl] / 404,45).

Studienergebnisse

In Tabelle 2 sind die mittleren Veränderungen der einzelnen Studienendpunkte nach zwölf Wochen dargestellt. Die Patienten der Gruppen 1 (Metformin + Lebensstiländerung), 2 (Metformin) und 3 (Plazebo + Lebensstiländerung) verzeichneten eine signifikante Reduktion der Glucose- und Insulinspiegel sowie des Insulinresistenzindex im Vergleich zu den Ausgangswerten. Bei den Patienten der Gruppe 4, die nur Plazebo erhielten, waren der Insulinspiegel und der Insulinresistenzindex hingegen signifikant erhöht.

Tab. 2. Veränderungen der primären Studienendpunkte zwischen dem Ausgangswert und nach 12 Wochen Behandlung

Metformin + Lebensstil (n = 32)

Metformin

(n = 32)

Plazebo + Lebensstil
(n = 32)

Plazebo
(n = 32)

Gewicht [kg] (95%-KI)

–4,7 (–5,7 bis –3,4)

–3,2 (–3,9 bis –2,5)

–1,4 (–2,0 bis –0,7)

3,1 (2,4 bis 3,8)

BMI [kg/m2] (95%-KI)

–1,8 (–2,3 bis –1,3)

–1,2 (–1,5 bis –0,9)

–0,5 (–0,8 bis –0,3)

1,2 (0,9 bis 1,5)

Taillenumfang [cm] (95%-KI)

–2,0 (–2,4 bis –1,5)

–1,3 (–1,5 bis –1,1)

0,1 (–0,5 bis 0,7)

2,2 (1,7 bis 2,8)

Nüchtern-Glucosespiegel [mg/dl] (95%-KI)

–7,2 (–10,8 bis –5,4)

–10,8 (–16,2 bis –7,2)

–7,2 (–9,0 bis –3,6)

1,8 (–1,8 bis 3,6)

Insulinspiegel [µU/ml] (95%-KI)

–13,9 (–17,1 bis –10,8)

–12,7 (–15,3 bis –10,2)

–2,7 (–4,3 bis –1,1)

2,1 (1,0 bis 3,2)

IRI (95%-KI)

–3,6 (–4,5 bis –2,7)

–3,5 (–4,4 bis –2,7)

–1,0 (–1,5 bis –0,5)

0,4 (0,1 bis 0,7)

Lebensstil: Veränderung des Lebensstils durch Diät und Ausdauersport; 95%-KI: 95%-Konfidenzintervall; IRI: Insulinresistenzindex

In Bezug auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen.

Die Kombination aus verändertem Lebensstil (Ernährungsumstellung und Ausdauersport) und Metformin, das die hepatische Glucoseproduktion hemmt, verhinderte am besten die durch atypische Antipsychotika induzierte Gewichtszunahme. Die Metformin-Monotherapie war wirksamer bei der Gewichtsreduktion und der Verbesserung der Insulinempfindlichkeit als nur die Eingriffe in den Lebensstil.

Quellen

Wu RR, et al. Lifestyle intervention and metformin for treatment of antipsychotic-induced weight gain. JAMA 2008;299:185–93.

Himmerich H, et al. Gewichtszunahme unter Psychopharmakotherapie. Dtsch Arztebl 2005; 102:31–2.

Fric M, et al. Atypische Antipsychotika und metabolisches Syndrom. Psychopharmakotherapie 2005;12:51–6.

Laux G. Die Relevanz des metabolischen Syndroms in der Langzeitbehandlung schizophrener und affektiver Patienten. Psychopharmakotherapie 2008;15(Suppl 18):17–20.

Psychopharmakotherapie 2009; 16(01)