Anwendungsbeobachtungen mit Atomoxetin in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Asperger-Syndrom und ADS


Jochen Gehrmann, Ludwigshafen

Atomoxetin ist als selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer für die Behandlung von ADHS/ADS ab dem sechsten Lebensjahr zugelassen. Das Asperger-Syndrom gehört zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen. Komorbide Aufmerksamkeitsstörungen sind nach klinischer Erfahrung nicht selten. Hier berichten wir über klinische Anwendungserfahrungen bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einem sogenannten high-functioning Asperger-Syndrom sowie einem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) (d.h. dem sogenannten unaufmerksamen Subtyp). Atomoxetin (Strattera®), langsam einschleichend mit einer Zieldosis von 1,2 bis 1,4 mg/kg Körpergewicht aufdosiert, war gut verträglich und zeigte einen langsam einsetzenden, dann aber im Verlauf stabilen Effekt auf die ADS-Kernsymptomatik und verbesserte die psychosoziale Integration. Diese ersten positiven klinischen Erfahrungen müssen aber durch eine prospektive und Plazebo-kontrollierte Behandlungsstudie überprüft werden.
Schlüsselwörter: Atomoxetin, Asperger-Syndrom, Autismus, Methylphenidat, ADHS
Psychopharmakotherapie 2008;15:272–6.

Atomoxetin blockiert als Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer hochselektiv den präsynaptischen Noradrenalin-Transporter und erhöht so die Noradrenalin-Konzentration im synaptischen Spalt [5]. Der Hauptwirkungsort ist der präfrontale Kortex. Im Nucleus accumbens und im Striatum bewirkt es keinen Dopamin-Anstieg. Dies wird klinisch mit einem fehlenden Missbrauchspotenzial und einem möglicherweise günstigeren Einfluss auf die Induktion von Tics in Verbindung gebracht [11]. Atomoxetin wird nach oraler Gabe unabhängig von der Nahrungsaufnahme rasch resorbiert. Maximale Plasmaspiegel werden ein bis zwei Stunden nach der Einnahme erreicht. Der Wirkstoff wird über das hepatische Cytochrom-P450-Enzym (CYP) 2D6 metabolisiert. Etwa 7% der weißen Bevölkerung bauen Atomoxetin verlangsamt über das CYP2D6-Isoenzym ab. Bei diesen so genannten „slow metabolizern“ liegt die Plasmahalbwertszeit bei fast 22 Stunden, bei normaler Metabolisierung (d. h. etwa 93% der weißen Bevölkerung, extensive metabolizer) hingegen bei 5 Stunden [17, 18].

Etwa 3 bis 5% aller Kinder erfüllen die diagnostischen Kriterien für eine Aufmerksamkeitsdefizit-(ADS) oder Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) [2, 16, 22]. 2% der medizinischen Behandlungskosten für Kinder gehen zu Lasten von AD(H)S [13]. Die ADHS-Kernsymptomatik umfasst Hyperaktivität, Konzentrationsdefizit und eine erhöhte Impulsivität. Beim sogenannten unaufmerksamen Subtyp (ADS) (nach DSM-IV) dominiert die Konzentrations- bzw. Aufmerksamkeitsstörung. Allerdings entwickelt sich die Symptomatik mit der Lebenslinie [27]. Bleibt das AD(H)S unbehandelt, müssen wir davon ausgehen, dass die Symptomatik bei bis zu 60% der im Kindes- und Jugendalter Betroffenen im Erwachsenenalter bestehen bleibt [27]. In bis zu 80% der Fälle liegen bei ADHS komorbide Störungen vor, die häufig prognostisch relevant sind: oppositionelles Verhalten oder Störungen im Sozialverhalten (50%), Lese-/Rechtschreibstörungen (20–30%), Rechenstörungen, Einnässen oder Einkoten, Ängste/depressive Entwicklungen (10–40%), Tics und Zwangsstörungen (10–30%), (Ein)schlafstörungen sowie insbesondere auch tiefgreifende Entwicklungsstörungen [2, 16, 22]. Es ist davon auszugehen, dass das Vorliegen weiterer psychiatrischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS eher die Regel als die Ausnahme ist.

Atomoxetin ist in Deutschland für die Behandlung von ADHS/ADS ab dem sechsten Lebensjahr zugelassen. Der Arzneistoff reduziert in der Langzeitbehandlung die ADHS-Kernsymptomatik signifikant, verbessert im Verlauf die psychosozialen Funktionsniveaus der behandelten Kinder und Jugendlichen und ist insgesamt gut verträglich [17, 18, 21]. Unerwünschte Wirkungen wie Kopfschmerzen, Oberbauchbeschwerden, verminderter Appetit, gegebenenfalls mit einer Gewichtsabnahme gerade in der Einstellungsphase, können in der klinischen Praxis dadurch verringert werden, dass die Aufdosierung langsam, das heißt in nur wöchentlichen Erhöhungsschritten, erfolgt [7]. Aufgrund von Berichten über allerdings reversible Leberwerterhöhungen sollte die Leberfunktion überwacht werden (lt. Fachinformation zu Strattera®, Lilly Deutschland GmbH). Atomoxetin wird mit einer Zieldosis zwischen 1,2 und 1,4 mg/kg Körpergewicht (KG) verordnet. Eine randomisierte, Plazebo-kontrollierte Verlaufsstudie weist darauf hin, dass bei einigen Patienten, die erfolgreich etwa ein Jahr mit Atomoxetin behandelt wurden, ein Absetzen des Medikaments möglich zu sein scheint, ohne dass eine signifikante Wirksamkeitsverminderung beobachtet wird [6]. Unsere eigene klinische Erfahrung weist darauf hin, dass etwa nach einem Jahr Behandlungsdauer die Tagesdosis durchaus halbiert werden kann, ohne dass eine signifikante Wirksamkeitsverminderung beobachtet wird.

Das Asperger-Syndrom ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, betrifft bevorzugt das männliche Geschlecht, hat eine genetische Komponente und eine Prävalenz von etwa 2,5 Fällen pro 10000 Personen. Die Kinder imponieren in ihrem sozialen Umgang auffallend ungeschickt, teils extrem direkt und undiplomatisch im Kontakt, in ihrem Verhalten durchaus „skurril“, oft feinmotorisch auffallend ungeschickt, aber auch ungewöhnlich talentiert und interessiert. Die Kernsymptomatik umfasst tiefgreifende Störungen der sozialen Interaktion und Kommunikation, eine Vorliebe für ritualisiertes, teils zwanghaftes Verhalten, Bewegungsstereotypien und sogenannte Sonder- interessen. Eine normale Sprachentwicklung und durchschnittliche Intelligenz sind prognostisch günstig. Auch beim Asperger-Syndrom liegen häufig komorbide Störungen vor, die durchaus prognostisch relevant sind: so zum Beispiel Aufmerksamkeitsstörungen, Zwangs- oder emotionale Störungen oder impulsives Verhalten. Obwohl nach den Diagnosekriterien der ICD-10 und des DSM-IV die Diagnose einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung die zusätzliche Diagnose eines ADHS/ADS ausschließen soll, besteht inzwischen ein fachlicher Konsens, dass gerade ein ADHS/ADS eine der klinisch relevanten komorbiden Störungen darstellt und nicht selten ist [12, 19, 24]. So erfüllten in einer Studie von Gillberg [10] 21% der untersuchten Kinder die diagnostischen Kriterien sowohl für ADHS als auch ein Asperger-Syndrom. Jensen et al. [14] fanden, dass 74% der Kinder und Jugendlichen mit einem sogenannten high-functioning Asperger-Syndrom (d.h. mit guter intellektueller Begabung) zuvor als Patienten mit einem „reinen“ AD(H)S diagnostiziert wurden. Daher wird die medikamentöse Behandlung eines (zuvor möglicherweise unterschätzten und daher unbehandelten) komorbiden AD(H)S bei Kindern und Jugendlichen mit einem Asperger-Syndrom zunehmend bedeutsam [28].

Fallbeschreibungen

Die klinische Diagnosestellung erfolgte nach ICD-10-Kriterien [23] und anhand standardisierter Fremdbeurteilungsskalen (z. B. DISYPS-I: HKS, TES; Fragebogen zur sozialen Kommunikation [FSK]) und Verhaltensbeobachtungen in verschiedenen sozialen Situationen (für die Autismusdiagnostik speziell die diagnostische Beobachtungsskala für autistische Störungen als deutsche Fassung des Autism Diagnostic Observation Schedule [ADOS] und des diagnostischen Interviews für Autismus – revidiert als deutsche Fassung des Autism Diagnostic Interview [ADI-R]). Die Patienten (drei Jungen und ein Mädchen) erfüllten die Kriterien einer sogenannten einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung nach ICD-10 und die des sogenannten unaufmerksamen Subtyps nach DSM-IV, das heißt eines vorrangigen ADS. Neben einem komorbiden ADS waren keine weiteren komorbiden Störungen fassbar. Die Sprachentwicklung war bei allen Patienten verzögert, bei zwei Patienten die Entwicklung global. Das Intelligenzniveau war durchschnittlich, das heißt, wir behandelten hier Patienten mit einem sogenannten high-functioning Asperger-Syndrom. Bis auf einen Patienten wurden alle Patienten auch teilstationär behandelt. Die abschließende Diagnosestellung und auch die medikamentöse Indikationsstellung erfolgten dann vor dem Hintergrund einer teilstationären Behandlung, wobei neben Verhaltensbeobachtungen im Krankenhausunterricht oder in der Heimatschule auch Hausbesuche bei uns obligat sind [8].

Atomoxetin wurde stets langsam einschleichend ausgehend von 10 mg/d mit wöchentlichen Dosiserhöhungsschritten verordnet. Abgesehen von initial vereinzelt berichteter Tagesmüdigkeit und moderaten Bauch- und Kopfschmerzen wurden keine signifikanten unerwünschten Wirkungen beobachtet, ebenso wenig pathologische Laborwertveränderungen. Bei einem Patienten nahmen wiederholte Übelkeit und Bauschschmerzen signifikant ab, nachdem auf eine abendliche Einmaldosis umgestellt wurde. Die mittlere Atomoxetin-Tagesdosis lag bei 1,29 mg pro kg KG, wobei bei drei Patienten höhere Tagesdosen etwa von 1,4 mg/kg KG erreicht wurden. Der Behandlungseffekt wurde klinisch (d. h. auch bezogen auf das psychosoziale Funktionsniveau) mit dem Global Improvement Item der Clinical Global Impressions Improvement Scale (CGI-GI) [15] halbstandardisiert beurteilt, die Veränderungen in der AD(H)S-Kernsymptomatik mit der Conners-Fremdbeurteilungsskala in der Elternbeurteilung. Zwei Patienten wurden naiv auf Atomoxetin eingestellt und eine Patientin von Risperidon umgestellt. Bei der letzteren Patientin erwies sich – im Rahmen eines individuellen Heilversuchs – die Komedikation mit einem retardierten Methylphenidat-Präparat (etwa 0,5 mg/kg KG) als effektiv, um das Konzentrationsvermögen, vor allem am Vormittag während einer schwierigen schulischen Situation, zusätzlich zu fördern. Ebenso war die Komedikation mit Methylphenidat im Verlauf bei einem Patienten erforderlich, der zuvor mit einer allerdings höheren Methylphenidat-Monotherapie behandelt wurde. Sowohl die subjektiven Rückmeldungen der Patienten selbst als auch der Eltern sowie der Lehrer über die Verbesserung der ADS-Kernsymptomatik, aber auch die emotionale Befindlichkeit waren durchweg positiv. Ein signifikanter Wirkungseintritt wurde verzögert berichtet und auch beobachtet, das heißt etwa sechs bis acht Wochen nach Erreichen der Atomoxetin-Zieldosis. Die mittlere Behandlungsdauer beträgt gegenwärtig 52 Wochen. Die klinischen Daten der behandelten Patiententen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tab. 1. Klinische Daten der behandelten Patienten

Geschlecht
(m=männlich, w=weiblich)
und Behandlung
(TK=teilstationär)

Alter zu
Beginn der
Behandlung

ICD-10-
Diagnose1

IQ

Sprachent-wicklung

Vormedikation

Atomoxetin-Dosis
und Methylphenidat-
(MPH-)Dosis

Bisherige
Behandlungsdauer
[Wochen]

CGI-GI2

Veränderungen
ADHS-RS3
[%]

1.

m/TK

10 Jahre

F84.5
F90.0
F98.0

109

F80.8

MPH 23 mg

40 mg
(1,21mg/kg KG)
+ 10 mg MPH retard

36

2

–26

2.

m/TK

10 Jahre 9 Monate

F84.5
F90.0

120

F83

Keine

60 mg
(1,42 mg/kg KG)

44

2

–21

3.

m

6 Jahre 5 Monate

F84.5
F90.0

106

F83

Keine

35 mg
(1,42 mg/kg KG)

68

2

–24

4.

w/TK

12 Jahre 10 Monate

F84.5
F90.0

89

F80.8

Risperidon
0,5 mg

60 mg
(1,40 mg/kg KG)
+ 20 mg MPH retard

60

3

–17

1: ICD-10-Diagnosen: F84.5: Asperger-Syndrom; F90.0: sog. einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (hier nach DSM-IV vom sog. unaufmerksamen Subtyp); F98.0 Enuresis diurna et nocturna; F80.8 Sprachentwicklungsverzögerung; F83 globale Entwicklungsverzögerung.

2: Global Improvement Item der Clinical Global Impression Scale (CGI-GI): Verbesserung der klinischen Symptomatik: 1 = sehr ausgeprägt; 2 = ausgeprägt; 3 = mäßig ausgeprägt; 4 = keine Veränderung; 5 = mäßige Verschlechterung

3: Prozentuale Veränderung der AD(H)S-Kernsymptomatik im Verlauf beurteilt anhand der Conners-(ADHS-)Elternbeurteilungsskala

Diskussion

Bisher ist dem Autor noch keine Studie bekannt, in der der Einsatz von Atomoxetin speziell bei Patienten mit ADHS/ADS und einem komorbiden Asperger-Syndrom untersucht wurde. Erweitert man die Komorbidität aber allgemein auf tiefgreifende Entwicklungsstörungen (d. h. aus dem Autismus-Spektrum) und ADHS, sind bisher Pilotstudien und eine retrospektive Fallsammlung über die Wirksamkeit von Atomoxetin bei dieser Komorbidität veröffentlicht [3, 20, 26, 28]. Hier findet sich auch jeweils ein Anteil an Patienten mit einem Asperger-Syndrom.

Übereinstimmend mit den Ergebnissen dieser Pilotstudien bewährt sich nach den ersten Anwendungsbeobachtungen Atomoxetin bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einem sogenannten high-functioning Asperger-Syndrom und einem komorbiden ADS. Der klinische Wirkungseintritt tritt zwar mit etwa sechs bis acht Wochen nach unserer Erfahrung (bei einer allerdings auch langsamen Aufdosierung) relativ verzögert ein, aber mit einer stabilen Wirkung im weiteren Behandlungsverlauf. Wesentliche unerwünschte Wirkungen konnten wir bislang nicht beobachten.

Das vorläufige klinische Fazit ist:

  • Atomoxetin langsam, das heißt in wöchentlichen Dosiserhöhungsschritten (10, 18, 25, 40, 60 mg und 80 mg – als 7 Kapseln zu verordnen) aufdosieren
  • Zunächst 1,2 mg Atomoxetin pro kg KG als Zieldosis wählen
  • Einen verzögerten Wirkungseintritt erwarten und dies auch gegenüber Patient und Eltern sowie Lehrern so kommunizieren
  • Eine Einmaldosis ist meist ausreichend, in der Regel morgens, gegebenenfalls kann Atomoxetin aber auch abends oder in zwei Dosen über den Tag verteilt eingenommen werden, falls eine ausgeprägte und andauernde Tagesmüdigkeit beobachtet wird
  • Bei zu geringer Wirkung kann die Atomoxetin-Tagesdosis auf 1,4 mg/kg KG erhöht werden (geprüft ist die Wirksamkeit bis 1,8 mg/kg KG laut Fachinformation zu Strattera®, Lilly Deutschland GmbH)
  • Atomoxetin kann gegebenenfalls niedrig dosiert mit Methylphenidat (0,3 bis 0,5 mg/kg KG) kombiniert werden, insbesondere um das Konzentrationsvermögen während des Schulunterrichts am Vormittag zusätzlich zu fördern

Inwieweit die Kombination Methylphenidat und Atomoxetin tatsächlich in einem rechtlichen Sinne als Off-Label-Verordnung anzusehen ist, wird diskutiert; beide Präparate sind jedoch in Deutschland ab dem 6. Lebensjahr für die Indikation ADHS zugelassen und die Fachinformationen erlauben grundsätzlich auch eine Kombinationsbehandlung. Es handelt sich aber nach Auffassung des Autors gegenwärtig um einen individuellen Heilversuch und bedarf daher einer besonderen Aufklärung der Sorgeberechtigten.

Atomoxetin könnte sich als besonders relevant bei der Behandlung von ADHS und komorbider Störungen (und vice versa) erweisen. Eine Wirksamkeit bei ADHS wurde bei schweren depressiven Störungen, Angststörungen und Tourette- Syndrom gezeigt, eine Wirksamkeit bei der komorbiden Störung bei Angststörungen und dem Tourette-Syndrom (Tic-Störungen nur in der Tendenz), nicht jedoch bei schweren depressiven Störungen [1, 4, 9].

Nach unseren bisherigen klinischen Erfahrungen ist Atomoxetin effektiv bei der Behandlung von ADS, also dem sogenannten unaufmerksamen Subtyp, bei komorbidem sogenanntem high-functioning Asperger-Syndrom, indem es die ADS-Kernsymptomatik reduziert und die emotionale Befindlichkeit und psychosoziale Integration in verschiedenen Funktionsbereichen, insbesondere Schule, Familie und Freizeit, verbessert.

Es fehlen jedoch prospektive und Plazebo-kontrollierte Behandlungsstudien. Eventuelle Langzeiteffekte müssen in Anbetracht des noch relativ kurzen Anwendungszeitraums von Atomoxetin noch offen bleiben. Regelmäßige Kontrollen der Laborwerte (Leberwerte, Blutbild, Creatinin), des EKG sowie von Körpergewicht und -länge sind unbedingt empfehlenswert. Es bleibt abzuwarten, ob sich Atomoxetin gerade in der Behandlung von AD(H)S bei komorbidem sogenanntem high-functioning Asperger-Syndrom eventuell zu einer Therapieoption der ersten Wahl entwickelt. Unsere klinischen Erfahrungen deuten aber möglicherweise in diese Richtung.

Danksagung

Der Autor dankt Angelika Remmers für ihre bewährte redaktionelle Unterstützung, Priv.-Doz. Dr. med. Martin Holtmann (Frankfurt a. M.) und Dr. rer. nat. Christoph Bartel (Rotenburg a.d.W./Lilly Deutschland GmbH) für Anregungen und kritische Diskussion.

Interessenkonflikt

Jochen Gehrmann erhielt Unterstützung für Fortbildungen durch Lilly Deutschland GmbH, Janssen Cilag GmbH sowie ferner Vortragshonorare von Pfizer GmbH und Medice GmbH.

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Dr. med. Jochen Gehrmann, Abt. f. Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz, Karolina-Burger-Str. 51, 67065 Ludwigshafen a. Rh., E-Mail: jochen.gehrmann@st-annastiftskrankenhaus.de


Observational study with atomoxetine for the treatment of children and adolescents with Asperger’s syndrome and ADS

Atomoxetine is approved for use as a selective noradrenaline reuptake inhibitor for the treatment of ADHS/ADS in children aged six years and older. Asperger’s syndrome is a pervasive developmental disorder. As clinical experience has shown, comorbid attention deficit disorder is not uncommon. Here we report on experience with clinical application in the treatment of children and adolescents with high functioning Asperger’s syndrome as well as attention deficit syndrome (ADS) (i. e. the so called inattentive subtype of ADHD). Atomoxetine gradually introduced, titrating to a target dose of between 1.2 and 1.4 mg/kg body weight was found to be well tolerated, with a gradual, but stable long-term effect on the main symptoms of ADS as well as improving psychosocial integration. However, these initial positive clinical trials need to be verified by a prospective, placebo-controlled treatment study.

Keywords: Atomoxetine, Asperger’s syndrome, autism, methylphenidate, ADHD

Psychopharmakotherapie 2008; 15(06)