Lennox-Gastaut-Syndrom

Rufinamid hält im klinischen Alltag, was die Studiendaten versprechen


Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg

Als bisher einziges Antiepileptikum ist Rufinamid ausschließlich für die (Zusatz)behandlung von Patienten mit Lennox-Gastaut-Syndrom zugelassen. Die ersten Erfahrungen mit diesem „orphan drug“ unter Alltagsbedingungen werden den hohen Erwartungen gerecht.

Weil es sich beim Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) um ein seltenes, aber sehr schweres Krankheitsbild mit relativ wenig Therapieoptionen handelt, reichten der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA für die Zulassung von Rufinamid (Inovelon®) die Ergebnisse einer einzigen Studie. Die in Europa und den USA rekrutierten LGS-Patienten waren zwischen 4 und 37 Jahre alt und hatten für zwölf Wochen randomisiert doppelblind entweder Rufinamid (n=74) oder Plazebo (n=64) zusätzlich (add-on) zu ihrer bestehenden antikonvulsiven Medikation erhalten.

Die Responderrate (mindestens 50%ige Anfallsreduktion) war im Verum-Arm mit 31% statistisch signifikant höher als in der Kontrollgruppe mit 11% (p=0,0045). Im Mittel hatte die Anfallsfrequenz (bezogen auf einen Zeitraum von 28 Tagen) unter Add-on-Rufinamid um 33% und unter Add-on-Plazebo um 12% abgenommen (p=0,0015). Besonders stark zurückgegangen waren nach Therapiemodifikation die tonisch-atonischen Anfälle – so genannte Sturzanfälle –, nämlich um 43%, während im Plazebo-Arm eine Zunahme um 1,4% dokumentiert wurde (p<0,0001). In der anschließenden Extensionstudie wurden 124 Patienten im Median über 432 Tage (10 bis 1149 Tage) offen mit Rufinamid (weiter-)behandelt. Es gab in dieser Zeit keinerlei Hinweise auf eine Toleranzentwicklung, sondern kam im Gegenteil sogar noch zu einer weiteren Abnahme der Anfallsaktivität.

In Deutschland werden derzeit die Erfahrungen mit Rufinamid in acht Epilepsiezentren systematisch erfasst. Für eine erste Zwischenauswertung konnten die Daten von 60 Epilepsiekranken im Alter zwischen 1 und 50 Jahren berücksichtigt werden. Dass es sich um ein sehr therapieschwieriges Kollektiv handelt, zeigt die Vielzahl der Therapieversuche: Vorbehandlung mit im Mittel elf Antiepileptika, außerdem epilepsiechirugische Eingriffe (13%), Vagusnervstimulation (23%) und ketogene Diät (15%).

Der Einsatz von Rufinamid – zum Teil „off label“ – zusätzlich zur Basistherapie mit einem bis vier anderen Antiepileptika führte in 47% der Fälle zu einer Response (Abnahme der Anfallsfrequenz um mehr als 50%). Von den Patienten mit gesicherter Diagnose eines Lennox-Gastaut-Syndroms (n=36) erfüllten 53% das Responsekriterium (Tab. 1). Die Verträglichkeit entsprach den Erwartungen. Wie in der Zulassungsstudie litten die Patienten am häufigsten an Übelkeit und Erbrechen. Diese Beschwerden lassen sich wahrscheinlich vermeiden, wenn man langsam aufdosiert – im Wochenabstand statt, wie in der Fachinformation angegeben, alle zwei Tage.

Tab. 1. Ansprechen auf Add-on-Rufinamid bei Patienten mit Lennox-Gastaut-Syndrom (N=60) [nach Kluger]

Abnahme der Anfallsfrequenz um

Patienten
[n]

<50%

17

50–75%

9

Responderrate 53%

75–99%

5

100%

5

Quelle

Dr. med. Gerhard Kluger, Vogtareuth, Satellitensymposium „Weichenstellung für die lebenslange Epilepsietherapie“, veranstaltet von der Eisai GmbH im Rahmen der 34. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie Jena, 4. April 2008.

Glauser T, et al. Rufinamide for generalized seizures associated with Lennox-Gastaut syndrome. Neurology 2008;70:1950–8.

Psychopharmakotherapie 2008; 15(05)