Diabetische Polyneuropathie

Pregabalin wirksam in der Behandlung neuropathischer Schmerzen


Prof. Dr. H. C. Diener, Essen

In eine randomisierte, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Studie wurden 395 erwachsene Patienten mit schmerzhafter diabetischer Polyneuropathie, die länger als ein Jahr anhielt, aufgenommen. Die Behandlung erfolgte mit Plazebo und 150, 300 oder 600 mg Pregabalin über einen Zeitraum von 12 Wochen. In einer Dosis von 600 mg war Pregabalin signifikant wirksamer als Plazebo, während die niedrigeren Dosen unwirksam waren.

Etwa 20 bis 25% aller Patienten mit Diabetes mellitus entwickeln eine Polyneuropathie und bei einem Großteil dieser Patienten ist die Polyneuropathie mit neuropathischen Schmerzen verbunden. Im Rahmen der evidenzbasierten Medizin wurden die folgenden Substanzen mit belegter Wirksamkeit gegen neuropathische Schmerzen identifiziert: trizyklische Antidepressiva, die Antikonvulsiva Carbamazepin und Oxcarbazepin sowie Gabapentin und Pregabalin. Darüber hinaus sind retardierte Opioide wirksam. Zu Pregabalin (Lyrica®) gibt es bisher sieben publizierte, randomisierte, Plazebo-kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit dieser Substanz bei der schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie und bei der postzosterischen Neuropathie belegt haben.

Studiendesign

Die hier referierte Studie wurde an 58 Zentren in Deutschland, Ungarn, Polen, England, Australien und Südafrika durchgeführt.

Eingeschlossen wurden Männer und Frauen im Alter über 18 Jahren mit einem Diabetes mellitus Typ 1 oder 2 und einem Wert von ≥40 mm auf einer visuellen Analogskala, die die Schmerzen im Rahmen der Polyneuropathie misst. Insgesamt nahmen 325 Patienten an der 12-wöchigen, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie teil. Die Patienten erhielten entweder Plazebo, 150, 300 oder 600 mg Pregabalin, wobei Pregabalin zweimal täglich gegeben wurde.

Der primäre Endpunkt war die Änderung des mittleren Schmerz-Scores in den Tagebüchern, die die Patienten führten; die Schmerzintensität wurde dafür auf einer Skala von 0 bis 10 beurteilt. Sekundäre Endpunkte maßen die Beeinträchtigung des Nachtschlafs durch die Schmerzen, die klinische Einschätzung von Patienten und behandelnden Ärzten und den EQ-5D, der die Lebensqualität misst.

Ergebnisse

Eine Verbesserung der Schmerzen von 0,91 Punkten gegenüber dem Ausgangswert von 3,7 Punkten ergab sich für die 600-mg-Dosis. Der Unterschied war signifikant (vs. Plazebo p=0,0093).

Für 150 und 300 mg Pregabalin täglich war die Reduktion der Schmerz-Scores nicht signifikant.

46% der Patienten, die mit 600 mg Pregabalin behandelt wurden, berichteten eine über 50%ige Verbesserung der Schmerzen verglichen mit 30% in der Plazebo-Gruppe (p=0,036). Die Number needed to treat betrug 6,3.

600 mg Pregabalin waren auch signifikant wirksamer als Plazebo, wenn es um die schmerzbezogenen Schlafstörungen sowie die globale Einschätzung der Wirkung ging.

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Benommenheit, Schwindel, Ödeme, Müdigkeit, Mundtrockenheit und Gewichtszunahme. Kopfschmerzen wurden dagegen durch Pregabalin eher gebessert.

Kommentar

Die Studie zeigt wie viele andere, dass Pregabalin bei der schmerzhaften Diabetes-Neuropathie wirksam ist. Allerdings gilt dies nur für die höchste Dosis von 600 mg täglich. Die Ergebnisse dieser Studie stimmen auch mit den klinischen Erfahrungen überein. Pregabalin wird relativ gut toleriert und eignet sich daher auch für ältere Patienten, die die Nebenwirkungen von Trizyklika und Opioiden nicht tolerierten. Naturgemäß ist diese Therapie nicht in der Lage, die Polyneuropathie selbst zu beeinflussen. Dies gelingt nur durch eine optimale Behandlung des Diabetes mellitus.

Quelle

Tölle T, et al. Pregabalin for relief of neuropathic pain associated with diabetic neuropathy: A randomized, double-blind study. Eur J Pain 2008;12:203–13.

Psychopharmakotherapie 2008; 15(05)