Antidepressive Erhaltungstherapie

Rückfälle verhindern – Lebensqualität erhalten


Dr. Katharina Arnheim, Berlin

Zur Prognoseverbesserung von Patienten mit Major Depression wird heute im Anschluss an die Akuttherapie eine längerfristige Erhaltungstherapie zur Rückfallprophylaxe empfohlen. Für den Nutzen dieser Maßnahme spricht die PREVENT-Studie: Durch die zweijährige Therapie mit Venlafaxin wurde eine signifikant stärkere Reduktion der Rezidivrate als mit Plazebo erreicht. Gleichzeitig blieben Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit besser erhalten.

Der selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) Venlafaxin (Trevilor®) ist das einzige Antidepressivum, das explizit für die Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe zugelassen ist. Welchen Nutzen eine längerfristige antidepressive Therapie hat, zeigt die internationale PREVENT(Prevention of recurrent episodes of depression with venlafaxin XR for two years)-Studie, für die knapp 1100 akut erkrankte Patienten mit mehreren Episoden einer Major Depression in den letzten fünf Jahren rekrutiert wurden. Bei Studienbeginn erfüllten die Teilnehmer mit einem HAMD(Hamilton-Depression)-Score von rund 22 die Kriterien einer schweren depressiven Episode. Sie erhielten zunächst eine antidepressive Pharmakotherapie. Bei den 716 Respondern wurde die Therapie anschließend über weitere sechs Monate fortgesetzt. Erst dann erfolgte eine Randomisierung zu einer einjährigen Therapie mit retardiertem Venlafaxin (Trevilor® retard) oder Plazebo (Erhaltungsphase A).

In der Erhaltungsphase B wurden Patienten der Verumgruppe erneut über weitere zwölf Monate zu Venlafaxin oder Plazebo randomisiert. Auf Verlangen der Behörden wurde neben Venlafaxin- und Plazebo-Arm noch eine dritte Referenzgruppe mit Fluoxetin mitgeführt, die jedoch nicht als direkter Komparator fungierte.

Am Ende der Erhaltungsphase A waren 77% der mit Venlafaxin, aber nur 58% der mit Plazebo behandelten Patienten rückfallfrei geblieben. Die Überlegenheit des Antidepressivums blieb im zweiten Jahr erhalten: Nach Abschluss der Erhaltungsphase B waren 92% der Patienten im Venlafaxin-Arm und 55% der Patienten im Plazebo-Arm weiterhin rückfallfrei. Auch die gemeinsame Auswertung beider Studienphasen ergab einen signifikanten Vorteil zugunsten von Venlafaxin: Während unter Plazebo fast jeder zweite Patient (47%) innerhalb von zwei Jahren einen Rückfall erlitt, war es unter Venlafaxin nur etwa jeder Vierte (28%).

Was für Betroffene bedeutsam ist

Zusätzlich zu dem primären Studienziel „Rückfallrate“ wurden in PREVENT auch Sekundäranalysen zu Lebensqualität, Arbeitsfähigkeit und Sozialfunktionen durchgeführt. Für betroffene Patienten sind diese sekundären Wirkparameter ebenfalls von sehr großer Bedeutung. Sie spiegeln wider, wie sich die Patienten insgesamt in ihrem Leben, am Arbeitsplatz und im sozialen Umfeld fühlen.

Die Erhebung der Lebensqualität mit dem Fragebogen Q-LES-Q (Quality of life enjoyment and satisfaction questionnaire) ergab deutliche Vorteile für Venlafaxin: Am Ende der Erhaltungsphase A war die Lebensqualität der Patienten im Plazebo-Arm um 8,2 Punkte gesunken – gegenüber nur 4,5 Punkten unter Venlafaxin.

Der Abstand vergrößerte sich bis Ende des zweiten Jahres noch: In der Plazebo-Gruppe sank die Lebensqualität um 9,2 Punkte, unter Venlafaxin nur um 2 Punkte. Ähnlich sah es bei der Befragung mittels LESS (Life enjoyment scale – short version) aus: Hier war der Unterschied zwischen Plazebo (–11,5 Punkte) und Verum (–1,5 Punkte) nach zwei Jahren ebenfalls besonders ausgeprägt.

Signifikant günstigere Langzeiteffekte im Vergleich zu Plazebo hatte Venlafaxin auch auf die mittels SF-36 (short form) erhobene Arbeitsfähigkeit und auf soziale Funktionen. Insgesamt kamen in der PREVENT-Studie fünf verschiedene Fragebögen zur Erfassung der Lebensqualität zum Einsatz. Mit nur einer Ausnahme in einer Domäne des SF-36 führte Venlafaxin in allen Skalen zu einer Verbesserung.

Potenzielle Nebenwirkungen thematisieren

Eine Besserung der Symptomatik und eine funktionelle Wiederherstellung durch die Langzeittherapie sind nur bei guter Compliance zu erreichen. Die funktionelle Besserung tritt deutlich später als die syndromale Besserung ein, was die Notwendigkeit der Erhaltungstherapie unterstreicht. Diese Langzeiteffekte müssen dem Patienten allerdings vermittelt werden, damit er die Therapie nicht vorzeitig absetzt. Auch über mögliche Nebenwirkungen der antidepressiven Pharmakotherapie sollte der Patient von Anfang an aufgeklärt werden. Information und Motivation sind wichtige Voraussetzungen für eine langfristig gute Therapieadhärenz.

Quelle

Prof. Dr. med. Ion Anghelescu, Berlin, Priv.-Doz. Dr. med. Stephanie Krüger, Berlin, Klinikworkshop „Remission und Lebensqualität auf lange Sicht erhalten – Sekundäranalysen der PREVENT-Studie“, Berlin, 3. April 2008, veranstaltet von Wyeth Pharma.

Psychopharmakotherapie 2008; 15(04)