Epilepsie

Den Besonderheiten des Kindesalters effektiv begegnen


Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Bei der Behandlung von Epilepsien im Kindes- und Jugendalter müssen bei der Auswahl eines geeigneten Antiepileptikums einige alterspezifische Aspekte berücksichtigt werden. Während bei sehr jungen Kindern eine potenzielle Beeinträchtigung der ZNS-Entwicklung eine besondere Aufmerksamkeit bedarf, muss bei älteren Kindern und Jugendlichen auch schon an mögliche Arzneimittelinteraktionen gedacht werden.

Die zur Verfügung stehenden Antiepileptika haben überwiegend antikonvulsive und antiiktogene Wirkungen. Antiepileptogene Effekte konnten nur für wenige Wirkstoffe gezeigt werden. Eine antiepileptogene Strategie blockiert die Mechanismen der Epilepsieentstehung, während antikonvulsive und antiiktogene Therapie die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Anfalls reduzieren. Antikonvulsive Strategien hemmen die Propagation von Anfällen; antiiktogene Strategien inhibieren epileptogene Netzwerke. Die Epileptogenese wird durch diese beiden Strategien nicht beeinflusst. Antiepileptogene Ansätze sind aber wichtig, um die massiven Veränderungen, die die abnorme neuronale Aktivität in den Zellen auslöst, zu verhindern. Levetiracetam (Keppra®) hat antiepileptogene Eigenschaften da es durch seine Wirkung an präsynaptischen Vesikeln die pathologische Reizübertragung auf andere Neuronen hemmt.

Zellverlust und Sprouting

Auf zellulärer Ebene führt die epileptische Aktivität zu einem starken Calciumeinstrom, einer Aktivierung von Wachstumsfaktoren und zu einer ATP-Depletion in den Zellen, die massiv exzitotoxisch erregt sind. Das mündet schließlich in einen apoptotischen Zelltod. Zugleich kommt es aber auch zu einem verstärkten Aussprossen (Sprouting) von Dendriten. Dadurch bilden sich neue neuronale Verbindungen, die zu einer rekurrenten Synaptogenese mit der Entstehung neuer epileptischer Schleifen führen können. Neben Apoptose und Sprouting wird auch die Expression bestimmter Gene verändert. Die Folge ist ein Umbau von Rezeptoren und Ionenkanälen auf den Neuronen.

Für die Zukunft ist zu erwarten, dass ein besseres Verständnis der molekularen Mechanismen der Epileptogenese neue molekulare Angriffspunkte für antiepileptische Wirkstoffe hervorbringt.

Levetiracetam in der frühen Kindheit

Derzeit ist Levetiracetam zugelassen zur Zusatztherapie bei Kindern ab vier Jahren mit fokalen Anfällen, ab 12 Jahren zur Therapie der juvenilen myoklonischen Epilepsie (JME) und von primär generalisiertem Grand Mal sowie ab 16 Jahren zur Monotherapie für fokale Epilepsien. Mittlerweile bestehen auch schon umfangreiche Erfahrungen mit Levetiracetam bei Kindern unter vier Jahren. In diesem Alter sind das Fehlen von Organ-, Verhaltens- und kognitiven Nebenwirkungen besonders wichtige Eigenschaften eines Antiepileptikums.

In einer Plazebo-kontrollierten multizentrischen Studie bei 109 Kindern (1 Monat bis 4 Jahre) mit fokalen Epilepsien zeigte sich unter Levetiracetam eine gegenüber Plazebo signifikante Überlegenheit hinsichtlich Anfallsreduktion und Responderrate (Abb. 1).

Abb. 1. Responderrate unter einer Zusatztherapie mit Levetiracetam bei Kindern mit fokalen Anfällen im Alter von 1 Monat bis 4 Jahren [nach Pina-Garza et al.]

In einer prospektiven Studie wurde bei sechs Neugeborenen Levetiracetam (30 mg/kg pro Tag) über drei Monate untersucht. Alle Kinder wurden anfallsfrei und haben die Therapie gut vertragen. Bei den unter 4-Jährigen scheint nach dem Eindruck der Studienautoren die Verträglichkeit und das Nebenwirkungsprofil noch besser zu sein als bei den über 4-Jährigen.

Tierexperimentelle Befunde weisen zudem darauf hin, dass unter Levetiracetam der neuroprotektive Faktor HIF1-alpha (Hypoxia inducible transcription factor) hochreguliert wird. Das ist bei anderen Antiepileptika nicht der Fall.

Geringes Interaktionspotenzial

Arzneimittelinteraktionen können auch schon bei Kindern Probleme bereiten, unter anderem als Folge der steigenden Beliebtheit von Phytopharmaka, Nahrungsergänzungsmitteln und Präparaten aus der Alternativmedizin. Bei Jugendlichen muss zusätzlich auch an Nicotin und Freizeitdrogen gedacht werden.

Nicht zu unterschätzen ist zudem der Anteil der Mädchen, die bereits orale Kontrazeptiva einnehmen. Dass dieser Aspekt auch für Neuropädiater relevant sein kann, belegt eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bei 1500 Mädchen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Ein Viertel der 15-Jährigen und die Hälfte der 16-Jährigen hatten bereits Geschlechtsverkehr. 70% der sexuell aktiven Mädchen nehmen orale Kontrazeptiva ein. Während unter einer Therapie mit enzyminduzierenden Antiepileptika keine wirksame Empfängnisverhütung möglich ist, interagieren Levetiracetam und einige andere moderne Antiepileptika nicht mit der „Pille“.

Quellen

Prof. Dr. med. Ulrich Brandl, Jena, Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Bast, Heidelberg, Dr. med. Stefan Stodieck, Hamburg, Satellitensymposium „Moderne Epilepsietherapie im Kindesalter – heute und morgen“, veranstaltet von UCB anlässlich der 34. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie, Jena, 5. April 2008.

Pina-Garza JE, et al. Efficacy and safety of levetiracetam oral solution as adjunctive treatment of refractory partial onset seizures in pediatric epileptic patients aged 1 month to <4 years. Poster 3.293 auf der Jahrestagung der American Epilepsy Society 2007.

Psychopharmakotherapie 2008; 15(04)