Schlaganfallprävention bei Älteren mit Vorhofflimmern

Orale Antikoagulation ist Acetylsalicylsäure überlegen


Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen

Bei älteren Menschen ab 75 Jahren mit Vorhofflimmern ist eine Antikoagulation mit Warfarin einer Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern wie Acetylsalicylsäure für die Schlaganfallprävention überlegen. Die orale Antikoagulation führt in dieser Population nicht zu einer erhöhten Rate an extra- oder intrakraniellen Blutungen.

Etwa 12% aller Menschen ab 75 Jahren leiden unter Vorhofflimmern. Vorhofflimmern erhöht das Schlaganfallrisiko um den Faktor 5. In den meisten bisher zu diesem Thema durchgeführten Studien wurde nur eine kleine Zahl älterer Menschen untersucht. Meist fehlen in den Leitlinien bisher klare Empfehlungen, wie bei Patienten über 75 Jahren mit Vorhofflimmern vorzugehen ist. Diese Patientengruppe hat aber ein erhöhtes Schlaganfallrisiko, das mit zunehmendem Alter weiter steigt, und auf der anderen Seite auch ein erhöhtes Blutungsrisiko beim Einsatz von oralen Antikoagulanzien. Mit der in England durchgeführten BAFTA-Studie (The Birmingham atrial fibrillation treatment of the aged) sollte die Wirksamkeit von Warfarin und Acetylsalicylsäure zur Schlaganfallprävention bei Patienten ab 75 Jahren mit Vorhofflimmern verglichen werden. In diese randomisierte offene Studie wurden 973 Patienten ab 75 Jahren mit Vorhofflimmern eingeschlossen und entweder mit Warfarin oral antikoaguliert (INR zwischen 2 und 3) oder mit 75 mg/d Acetylsalicylsäure behandelt.

Die Charakteristika der Studienteilnehmer sind in Tabelle 1 dargestellt. Die mittlere Beobachtungszeit betrug 2,7 Jahre. Der primäre Endpunkt umfasste tödliche Schlaganfälle oder Schlaganfälle, die zu einer permanenten Behinderung führten, intrakranielle Blutungen und signifikante periphere Embolien. Die Patienten wurden in den Praxen von niedergelassenen Allgemeinmedizinern behandelt.

Tab. 1. Patientencharakteristika

Warfarin

ASS

Patienten [n]

488

485

Männer [%]

55

54

Alter [Jahre]

81,5

81,5

CHADS2-Index [%]

1–2 Punkte

3–6 Punkte

72

28

72

28

TIA/Schlaganfall in der Anamnese [%]

13

12

ASS=Acetylsalicylsäure; CHADS2-Score=Modell zur Risikoabschätzung von Schlaganfällen bei Vorhofflimmern

Die den primären Zielparameter betreffenden Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Die relative Risikoreduktion bei einer Behandlung von Warfarin gegenüber Acetylsalicylsäure beträgt etwa 50% zugunsten von Warfarin. Das Ergebnis ist statistisch signifikant.

Tab. 2. Ergebnisse der Studie (Auswahl)

Warfarin

ASS

Warfarin vs. ASS

(n=488)

Jährliches Risiko

(n=485)

Jährliches Risiko

RR (95%-KI)

p

Probanden mit primärem Endpunkt [n]

24

1,8%

48

3,8%

0,48 (0,28–0,80)

0,0027

Schlaganfälle [n]

21

1,6%

44

3,4%

0,46 (0,26–0,79)

0,003

Intrakranielle Blutungen [n]

2

0,2%

1

0,1%

1,92 (0,10–113,3)

0,65

Extrakranielle Blutungen

18

1,4%

20

1,6%

0,87 (0,43–1,73)

0,67

Systemische Embolien [n]

1

0,1%

3

0,2%

0,32 (0,01–3,99)

0,36

ASS=Acetysalicylsäure; 95%-KI=95%-Konfidenzintervall

Die beiden Behandlungen zeigten keine statistisch signifikanten Unterschiede beim Auftreten extrakranieller und intrakranieller Blutungen.

Kommentar

Diese Studie ist außerordentlich wichtig, da die Ergebnisse zeigen, dass Menschen ab 75 Jahren mit absoluter Arrhythmie unter Beachtung der Kontraindikationen oral mit Warfarin antikoaguliert werden können und dadurch einen eindeutigen Nutzen im Vergleich zu einer Behandlung mit Acetylsalicylsäure haben. Überraschend an dieser Studie war, dass die Blutungsrate unter Acetylsalicylsäure genauso hoch war wie unter einer gut überwachten oralen Antikoagulation. Der Unterschied zu früher durchgeführten Studien lässt sich womöglich damit erklären, dass diese Studien höhere obere Grenzwerte für den INR (3,0 bis 4,5) aufwiesen.

Die BAFTA-Studie hat den großen Vorteil, dass sie in einem realistischen Setting, nämlich in der Praxis von Allgemeinmedizinern, durchgeführt wurde, was als sehr realitätsnah einzustufen ist. Die Studie zeigt aber auch, dass offenbar eine sorgfältige Patientenauswahl notwendig ist, um diese Patienten, die unter einer oralen Antikoagulation mit Warfarin ein erhöhtes Blutungsrisiko haben, von vornherein auszuschließen. Es ist davon auszugehen, dass die vorliegende Studie die Leitlinien zur Primär- und Sekundärprävention des Schlaganfalls bei Patienten mit Vorhofflimmern beeinflussen wird.

Quelle

Mant J, et al.; on behalf of the BAFTA investigators and the Midland Research Practices Network (MidReC). Warfarin versus aspirin for stroke prevention in an elderly community population with atrial fibrillation (the Birmingham atrial fibrillation treatment of the aged study, BAFTA): a randomised controlled trial. Lancet 2007;370:493–503.

Psychopharmakotherapie 2008; 15(03)