Diabetische Polyneuropathie

Lamotrigin bei schmerzhafter Polyneuropathie bei Diabetikern nicht erfolgreich


Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen

Das Antikonvulsivum Lamotrigin ist in der Behandlung von Schmerzen bedingt durch eine diabetische Polyneuropathie nur bei einem kleinen Teil der Patienten wirksam. Das zeigen die Ergebnisse zweier randomisierter Plazebo-kontrollierter Doppelblindstudien mit jeweils 360 Patienten.

Etwa ein Viertel aller Patienten mit Diabetes mellitus leiden unter einer diabetischen Neuropathie, wobei neben den objektiven neurologischen Symptomen wie Reflexabschwächung, Sensibilitätsstörungen und Paresen ganz im Vordergrund brennende neuropathische Schmerzen stehen. Für die Behandlung dieser Schmerzen sind Carbamazepin, Gabapentin, Pregabalin, trizyklische Antidepressiva und Opioide als wirksam belegt. Bisher gab es keine guten Studien zum Einsatz von Lamotrigin (Lamictal®) zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen im Rahmen einer Polyneuropathie mit größeren Patientenpopulationen. Die Firma GlaxoSmithKline führte zwei randomisierte, doppelblinde Plazebo-kontrollierte Parallelgruppenstudien durch, um Wirksamkeit und Vertäglichkeit von Lamotrigin bei diabetischer Polyneuropathie zu untersuchen.

Eingeschlossen wurden Frauen und Männer mit Diabetes mellitus Typ 1 oder 2 mit Symptomen einer diabetischen Polyneuropathie, die länger als sechs Monate bestanden, und einem mittleren Schmerzscore von ≥4 auf einer Skala von 0 bis 11. Bei allen Patienten wurde zunächst über zwei bis vier Wochen eine Screening-Phase durchgeführt, gefolgt von einer einwöchigen Baseline-Phase. Anschließend wurde Lamotrigin über sieben Wochen langsam eindosiert und die letzte Dosis dann über 12 Wochen beibehalten. Der primäre Zielparameter waren die Schmerzen gemessen zum Zeitpunkt des Schlafengehens auf einer 11-stufigen numerischen Skala. Erfasst wurden außerdem das Ausmaß von Schlafstörungen durch die Schmerzen, die Schmerzbewertung gemäß McGill Pain Questionnaire und eine Skala zur Messung neuropathischer Schmerzen. Die Patienten wurden in vier Gruppen eingeteilt und erhielten 200 mg, 300 mg oder 400 mg Lamotrigin oder Plazebo.

Nimmt man beide Studien zusammen, unterschieden sich 200 mg/d und 300 mg/d Lamotrigin nicht von Plazebo. Unter einer Dosis von 400 mg/d kam es allerdings zu einer signifikanten Reduktion der neuropathischen Schmerzen ab der 5. Woche. Für zahlreiche sekundäre Zielvariablen war die Studie negativ. Unter 400 mg/d Lamotrigin kam es häufiger zum Studienabbruch wegen Nebenwirkungen als bei den niedrigen Dosierungen. Die am häufigsten geklagten Nebenwirkungen von Lamotrigin waren Kopfschmerzen, Hautausschlag, Übelkeit und Schwindel. Zusammengefasst sind 400 mg/d Lamotrigin zur Behandlung der Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie bei einem Teil der Patienten mit diabetischer Polyneuropathie wirksam.

Kommentar

Üblicherweise müssen die Ergebnisse von zwei randomisierten Studien vorgelegt werden, um die Zulassung für eine bestimmte Indikation zu erhalten. Die hier durchgeführten Studien waren sorgfältig geplant und hatten ausreichend große Patientenzahlen. Jede der Studien hatte 360 Patienten. Leider sind die Ergebnisse nicht ermutigend. Die beiden Dosierungen von Lamotrigin, die relativ gut vertragen werden, nämlich 200 oder 300 mg/d, waren nicht wirksam. Die 400-mg-Dosis war wirksam, führte aber auch zu deutlich mehr Nebenwirkungen als die niedrigeren Dosierungen. Daher bleiben bis auf Weiteres die etablierten Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Gabapentin und Pregabalin die Antikonvulsiva der ersten Wahl zur Behandlung einer diabetischen Polyneuropathie mit Schmerzen.

Quelle

Vinik AI, et al. Lamotrigine for treatment of pain associated with diabetic neuropathy: Results of two randomized, double-blind, placebo-controlled studies. Pain 2007;128:169–79.

Psychopharmakotherapie 2007; 14(05)