Multiple Sklerose

BENEFIT-Studie bestätigt Nutzen der Frühtherapie mit Interferonen


Dr. Nana Mosler, Leipzig

In der ersten abgeschlossenen Studienphase der BENEFIT-Studie liegt nun der Beleg dafür vor, dass sich durch eine Frühtherapie mit Interferon beta-1b das Auftreten von bleibenden Behinderungen bei Patienten mit multipler Sklerose verzögern lässt.

Weltweit sind etwa 1,5 Mio. Patienten von der multiplen Sklerose (MS) betroffen. Dem ersten Krankheitsschub gehen oft im Kernspintomogramm (MRT) nachweisbare entzündliche Hirnläsionen voraus. Die MRT-Läsionen müssen aber nicht mit einem klinisch feststellbaren Ereignis assoziiert sein.

Die Lebenserwartung ist bei der Erkrankung nicht verkürzt, sondern entscheidend ist – neben den Krankheitsschüben – für die Patienten das Ausmaß der Behinderung, das mit der EDSS-Skala (Expanded disability status scale) bestimmt wird.

Inwieweit sich durch eine gezielte Therapie mit Interferon beta-1b bereits in der Frühphase der Erkrankung bei Patienten mit einem ersten klinischen Schub der spätere Verlauf beeinflussen lässt, war zentrale Fragestellung der BENEFIT-Studie (Betaferon®/Betaseron® in newly emerging multiple sclerose for initial treatment). Es sollte geprüft werden, ob sich durch die Behandlung die Wahrscheinlichkeit reduzieren lässt, dass der Patient eine klinisch definierte MS entwickelt.

Weiterhin sollte festgestellt werden, ob es Auswirkungen auf die Progression der Erkrankung im dritten und im fünften Jahr hat, wenn die Patienten verzögert mit Interferon beta-1b behandelt werden. Dazu wurden die Studienteilnehmer in einer ersten Phase für maximal zwei Jahre (oder bis zum zweiten Krankheitsschub) mit Interferon beta-1b (n=292) oder Plazebo (n=176) behandelt. Es schloss sich eine zweite Studienphase an, in der alle Patienten Interferon beta-1b erhielten. Durch dieses Studiendesign können nach drei und fünf Jahren Patientenkollektive miteinander verglichen werden, die entweder von Anfang an oder erst nach einer Zeit von zwei Jahren Interferon beta-1b erhielten.

Seltener Fortschreiten zu klinisch manifester MS

Erster Zielparameter der BENEFIT-Studie ist die Zeit, bis der Patient einen akuten Schub erleidet. Der zweite Zielparameter ist die Diagnose einer MS nach den McDonald-Kriterien, nach denen auch der Nachweis einer neuen Hirnläsion im MRT zur Diagnosestellung ausreicht. In der zweijährigen, Plazebo-kontrollierten Studienphase zeigte sich unter Interferon beta-1b eine Reduktion des Risikos, eine klinisch manifeste MS zu entwickeln, von etwa 50%.

In der zweiten Phase wurden alle Patienten mit Interferon beta-1b behandelt mit der Fragestellung, ob es Unterschiede in Bezug auf Schädigungen und Behinderungen bei sofort oder verzögert mit Interferon beta-1b therapierten Patienten gibt. Voraussetzung für valide Daten zu diesem Studienabschnitt ist eine gute Compliance der Patienten, wobei in der BENEFIT-Studie auch nach drei Jahren mit mehr als 80% noch ein erfreulich hoher Anteil von Patienten im Rahmen der Studie unter Beobachtung war. Die subkutane Injektion des Interferons machte den Patienten nichts aus.

Auch die Drei-Jahres-Daten bestätigen den Vorteil der frühzeitigen Interferon-beta-1b-Behandlung. So entwickelten im dreijährigen Verlauf in der ursprünglichen Plazebo-Gruppe 51% der Patienten eine klinisch manifeste MS gegenüber nur 37% bei initialer Interferon-beta-1b-Gabe. Die Wahrscheinlichkeit des Fortschreitens zur klinisch manifesten MS kann somit durch die Frühtherapie reduziert werden. Auch für die Entwicklung des Behinderungsgrads hatte die frühzeitige Behandlung Vorteile: So wurde unter Plazebo bei 24% der Patienten eine Progression des EDSS gesehen gegenüber nur 16% unter der Interferon-Gabe. Das entspricht einer Risikoreduktion um 40%, wenn die Patienten bereits initial gezielt behandelt werden. Die Chancen einer verpassten Frühtherapie können demnach nicht wieder aufgeholt werden.

Die integrierte Drei-Jahres-Analyse der BENEFIT-Studie belegt somit, dass eine sofortige Behandlung mit Interferon beta-1b im Vergleich zur später einsetzenden Therapie das Fortschreiten der neurologischen Schädigung nach drei Jahren hinauszögert und das Risiko der Progression zu einer klinisch manifesten MS reduziert.

Geplant ist die Fortsetzung der BENEFIT-Studie im Rahmen einer Beobachtungsstudie, um weitere Daten zum Krankheitsverlauf und zur Relevanz der Frühtherapie zu gewinnen.

Quellen

Priv.-Doz. Dr. med. Karl Baum, Hennigsdorf, Prof. Dr. med. Bernhard Hemmer, München, Lars Bauer, Berlin, Pressekonferenz „Frühtherapie der Multiplen Sklerose – neueste Ergebnisse der klinischen Forschung“ veranstaltet von der Bayer Schering Pharma Deutschland, Leverkusen, 4. Juni 2007.

Kappos L, et al. Die Behandlung mit Interferon beta-1b verzögert bei Patienten mit klinisch isolierten Syndromen den Übergang in eine klinisch gesicherte MS und eine MS gemäß den McDonald-Kriterien for the BENEFIT-Study Group [Abstract]. Neurology 2006;67:1242–9.

McDonald Wl, et al. Recommended diagnostic criteria for multiple sclerosis: Guidelines from the international panel on the diagnostic of multiple sclerosis. Ann Neurol 2001;50: 121–7.

Psychopharmakotherapie 2007; 14(05)