Epilepsie und Angststörungen

Add-on-Pregabalin einen Versuch wert


Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg

Bei Epilepsiekranken ist die Prävalenz von Angststörungen etwa doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung. Eine gute Behandlungsoption scheint bei diesen Patienten Pregabalin zu sein, das zusätzlich zu seinen antikonvulsiven auch anxiolytische Eigenschaften besitzt.

Die vorliegenden Zahlen zur Koinzidenz von Epilepsie und Angststörungen repräsentieren wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. Denn viele Patienten sprechen aus Furcht vor doppelter Stigmatisierung nicht von sich aus über ihre psychischen Probleme, und ihre behandelnden Ärzte sind für die zum Teil maskiert oder somatisiert auftretenden Symptome häufig nicht sensibilisiert. Routinemäßig danach gefragt wird in der epileptologischen Sprechstunde selten – laut einer in den USA durchgeführten Erhebung tun dies gerade einmal 7% der Neurologen.

Das Wissen um die komplexen neurobiologischen Zusammenhänge von Epilepsie und Angst ist noch lückenhaft. Anatomisch fokussiert das Interesse auf die Amygdala, weil sie als zentrale Region für die Genese von Angst und epileptischer Erregung gilt. Für eine biochemische Verwandtschaft spricht, dass bei beiden Erkrankungen Dysfunktionen der gleichen Zielstrukturen (GABAA-Rezeptoren) und Neurotransmittersysteme (Serotonin und Noradrenalin) vorliegen.

Zur Therapie der komorbiden Angst eignen sich wie bei nicht anfallskranken Angstpatienten Benzodiazepine (möglichst nur über einen begrenzten Zeitraum) und Antidepressiva (vor allem selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer). Bei der Wahl der Substanz ist auf das Interaktionspotenzial mit der antikonvulsiven Medikation zu achten.

Als eine Alternative bieten sich Antiepileptika mit zusätzlichen anxiolytischen Eigenschaften an. Obwohl eine Reihe von Substanzen vom pharmakodynamischen Profil her güns-tige Voraussetzungen dafür mitbringen – beispielsweise Modulation der GABAergen Aktivität –, hat bisher nur Pregabalin (Lyrica®) die Erwartungen erfüllt. Die ausgewogene Nutzen/Risiko-Relation wurde unter kontrollierten Bedingungen inzwischen bei über 2000 Angstpatienten (ohne Epilepsie) unter Beweis gestellt. Im doppelblinden Vergleich mit den Benzodiazepinen Lorazepam und Alprazolam ergab sich in puncto Schnelligkeit des Wirkungseintritts und Ausmaß des anxiolytischen Effekts kein statistisch signifikanter Unterschied. Ebenfalls gleichermaßen stark ausgeprägt war der Rückgang der psychischen und physischen Symptome im Vergleich zu Venlafaxin – im Gegensatz zur Behandlung mit dem selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer war unter der Therapie mit Pregabalin die Überlegenheit gegenüber Plazebo bereits nach der ersten Woche statistisch signifikant.

Das hat auch die europäische Arzneimittelbehörde überzeugt. Pregabalin ist nicht nur als Zusatztherapie bei fokalen Anfällen mit/ohne sekundäre Generalisierung zugelassen, sondern auch zur Behandlung generalisierter Angststörungen.

Zum Einsatz von Pregabalin bei Epilepsiekranken mit komorbider Angst gibt es bisher nur viel versprechende Fallberichte. Am Epilesiezentrum Bethel läuft zurzeit eine Studie mit Pregabalin bei Patienten mit fokaler Epilepsie mit und ohne iktale Angstauren.

Quelle

Prof. Dr. med. Christoph Baumgartner, Wien, Prof. Dr. med. Bernd Pohlmann-Eden, Bielefeld-Bethel, Satellitensymposium „Komorbiditäten in der Epilepsie – Aus der Praxis für die Praxis“, veranstaltet von der Pfizer GmbH bei der 5. Gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Sektionen der Internationalen Liga gegen Epilepsie, Basel, 18. Mai 2007.

Psychopharmakotherapie 2007; 14(05)