Zwangserkrankungen

Escitalopram befreit auch von Zwängen


Dr. Nana Mosler, Leipzig

Der hochselektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Escitalopram wurde unlängst für die fünfte Indikation zugelassen. Neben den Indikationen Depression, Panik, soziale Phobie und generalisierte Angststörung kann man Patienten nun auch wegen Zwangsstörungen behandeln. Da nahezu 80% der Zwangserkrankten mindestens eine komorbide psychische Störung aufweisen, scheint es therapeutisch sinnvoll, ein Medikament mit vielen Erfolg versprechenden Optionen einzusetzen.

Die Zwangsstörung verläuft chronisch. Dabei drängen sich den Patienten Gedanken und Handlungen auf, die zwar als quälend empfunden werden, aber dennoch umgesetzt werden müssen, auch wenn sie übertrieben oder vollkommen sinnlos sind. Weltweit beziffert man derzeit die Inzidenz der Zwangsstörung mit 1 bis 3%. Die Dunkelziffer wird noch deutlich höher sein, denn die Patienten suchen im Mittel erst rund zehn Jahre nach Erkrankungsbeginn einen Arzt auf. Diagnose und Therapie erfolgen im Schnitt erst weitere fünf Jahre später.

Bisher besteht der beste Evidenz-basierte Wirkungsnachweis für die Akut- und Langzeittherapie für selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer sowie Clomipramin. Trizyklische Antidepressiva mit starker noradrenerger Wirkung, reine Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, Monoaminoxidase-(MAO-)Hemmer sowie Benzodiazepine sind nicht effektiv. Insbesondere gilt aber die kognitive Verhaltenstherapie als Mittel der ersten Wahl. Allerdings sind in Deutschland kaum Versorgungsstrukturen vorhanden, um die zu Beginn mindestens dreimal pro Woche stattfindende Gesprächstherapie umzusetzen. Auch deshalb wird die Pharmakotherapie derzeit am häufigsten eingesetzt. Alarmierend ist, dass 80% der Patienten, die keine Verhaltenstherapie erhalten haben, rückfällig werden. Zusammenfassend gilt für die Therapie von Zwangsstörungen:

Medikation und Verhaltenstherapie sind gleich wirksam

Die Kombination aus Medikation plus Verhaltenstherapie wirkt besser als die Medikation allein

Aber eine Kombination aus Verhaltenstherapie plus Medikation wirkt nicht besser als die Verhaltenstherapie allein

Rückfallprävention mit Escitalopram

Die Zulassung für Escitalopram (Cipralex®) basiert unter anderem auf den Daten einer Langzeitstudie zur Prävention von Rückfällen. Die Patienten (51% Männer, Ø 35 Jahre, Erkrankungsdauer: 14 Jahre) waren zu Studienbeginn mittelschwer bis schwer erkrankt, mit einem durchschnittlichen Score auf der Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS) von 26 Punkten. Ingesamt 320 Studienteilnehmer, die in einer 16-wöchigen offenen Akutstudie auf die Behandlung mit 10 oder 20 mg/d Escitalopram angesprochen hatten (Reduktion des Y-BOCS-Score um mindestens 25%), wurden anschließend für eine 24-wöchige Erhaltungstherapie randomisiert und bekamen in einem doppelblinden Design weiterhin Escitalopram (n=163) oder Plazebo (n=157). Während der Doppelblindphase bekamen 82% der Escitalopram-Patienten (133) eine Tagesdosis von 20 mg Escitalopram.

Primärer Studienendpunkt war die Rückfallprävention nach 24 Wochen. Dabei erwies sich die Behandlung mit Escitalopram gegenüber Plazebo als signifikant wirksamer (p<0,001). Das relative Risiko eines Rückfalls war in der Plazebo-Gruppe um das 2,7fache höher als unter Escitalopram (10 bzw. 20 mg/d). In allen definierten Primär- und Sekundäranalysen schnitt die Escitalopram-Gruppe signifikant besser ab als die Plazebo-Gruppe.

Die rückfallpräventive Wirksamkeit von Escitalopram wurde nicht beeinflusst von Alter, Geschlecht, Krankheitsschwere, Krankheitsdauer oder Vorbehandlung. Zwar hatte in der ersten, offenen Therapiephase die höhere Tagesdosis von 20 mg Escitalopram zu einer höheren Ansprechrate geführt als 10 mg/d Escitalopram, jedoch waren nach Abschluss des doppelblinden Studienabschnitts beide Dosierungen gegenüber Plazebo statistisch signifikant überlegen.

Während der 24-wöchigen Erhaltungstherapie lag die Abbruchrate wegen intolerabler Nebenwirkungen unter 10 bzw. 20 mg/d Escitalopram zwar auf Plazebo-Niveau, wegen eventuell auftretendem Schwindel oder Übelkeit sollte die Therapie aber langsam, mit einer Tagesdosis von 10 mg, begonnen werden.

Quellen

Prof. Dr. med. Iver Hand, Hamburg, Prof. Dr. med Naomi Fineberg, Welwyn Garden City (UK), Pressekonferenz „Mit Cipralex® Zwangsstörungen bezwingen: Schnell und stark von A wie Angst und Z wie Zwang“, 15. Mai 2007, Frankfurt/Main, veranstaltet von der Lundbeck GmbH.

Stein D, et al. Escitalopram in obsessive-compulsive disorder, 24-week study. Curr Med Res Opin 2007;23:701–11.

Fineberg NA, et al. Escitalopram prevents relapse of obsessive-compulsive disorder. Eur Neuropsychopharmacol 2007. Im Druck.

Psychopharmakotherapie 2007; 14(04)