Medikamentöse Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms


Heinz Reichmann, Dresden

Die aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Diagnostik und Therapie von Parkinson-Syndromen geben differenzierte Empfehlungen zur medikamentösen Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms je nach (biologischem) Alter des Patienten, nach Begleiterkrankungen und Krankheitsstadium. Die Leitlinie wird im Folgenden zusammengefasst, wobei eigene klinische Erfahrungen einfließen.
Schlüsselwörter: Parkinson-Krankheit, Therapie, Dopaminagonisten, Levodopa
Psychopharmakotherapie 2007:14:122–4.

Die Diagnose eines idiopathischen Parkinson-Syndroms wird entsprechend den Kriterien der britischen Gehirnbank (British Brain Bank Criteria) dann gestellt, wenn zur Bradykinese noch zusätzlich eines der folgenden Kardinalsymptome, nämlich Rigor, Ruhetremor und posturale Instabilität hinzukommt. Unsere eigene Arbeitsgruppe ist der Meinung, dass als fünftes Kardinalsymptom noch die Hyposmie dazugehört. Daneben leiden Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom nach einigen Jahren auch an Störungen des autonomen Nervensystems sowie an psychiatrisch relevanten Symptomen wie Depression und Demenz.

Diagnostik

Die Diagnostik des idiopathischen Parkinson-Syndroms ist auch heute noch primär eine klinische, das heißt, sie beruht auf einer sorgfältigen Suche nach den genannten Kardinalsymptomen. Zum Ausschluss atypischer Parkinson-Erkrankungen ist aus meiner Sicht eine Bildgebung des Cerebrums unabdingbar. Darüber hinaus sind Untersuchungsmethoden wie quantitative Riechanalyse, Tremoranalyse, Parenchymsonographie der Substantia nigra und insbesondere recht kostspielige und aufwendige Untersuchungen, nämlich der Dopamintransporter-SCAN oder das L-Dopa-PET hilfreiche Instrumente. Klinisch relevante Diagnostika sind der L-Dopa-Test, bei dem den Patienten in unserer Klinik 200 mg Levodopa mit Decarboxylasehemmer appliziert werden, oder auch der Apomorphintest, der bei uns mit 4 bis 8 mg subkutan unter Domperidon-Schutz durchgeführt wird. Unterstützend für die Diagnose ist, wenn sich unter dieser dopaminergen Stimulation der motorische Score der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (UPDRS III) um über 30% verbessert.

Therapieziele

Therapieziele sind zunächst einmal die Wiederherstellung der körperlichen Unabhängigkeit der Patienten, das Sistieren des Tremors, um somit die Erhaltung der Selbstständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens anzustreben. Die ersten Jahre der Parkinson-Therapie sollten geeignet sein, körperliche Abhängigkeit und damit Verlust der Selbstständigkeit zu vermeiden. Durch eine strategische Therapie soll nicht nur ein kurzfristiger rascher Erfolg erzielt werden, sondern man sollte bereits den langen Verlauf der Parkinson-Krankheit im Auge behalten und dementsprechend Therapeutika auswählen.

Die Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms wird weltweit dahingehend unterteilt, dass zwischen biologisch jungen und biologisch alten Patienten unterschieden wird und dann auch der Subtyp des idiopathischen Parkinson-Syndroms relevant wird. Die zu berücksichtigenden Subtypen sind der Tremor-Dominanztyp, der sich von Seiten der Symptome nicht ganz leicht behandeln lässt, der aber eine gute Prognose aufgrund einer deutlich langsameren Krankheitsprogression aufweist, und zum anderen der Rigor-Akinese-Typ und der Äquivalenztyp. Diese beiden Unterformen lassen sich initial zumindest hervorragend therapieren, weisen aber im Langzeitverlauf eine raschere Progredienz auf, als dies beim Tremor-Dominanztyp der Fall ist.

Therapie des biologisch jungen Patienten

Insbesondere unter Berücksichtigung des modernen Therapiekonzepts der kontinuierlichen Dopamin-Rezeptorstimulation wird bei biologisch jungen Patienten der initiale Einsatz von Dopaminagonisten empfohlen. Wie Tabelle 1 ausweist, gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Dopaminagonisten, so dass zu hoffen ist, dass auch künftig in Deutschland die gesamte Palette der Dopaminagonisten zur Verfügung stehen wird. Man kann zunächst zwischen lang wirksamen und kürzer wirksamen Dopaminagonisten unterscheiden und dann auch zwischen Ergot- und Nichtergotderivaten. Des Weiteren ist zu unterscheiden, welche Subrezeptoraffinitäten die einzelnen Dopaminagonisten aufweisen. So zeigt beispielsweise nicht nur Apomorphin, sondern insbesondere das früher sehr häufig verwandte Pergolid eine Dopamin-D1-Rezeptoraffinität, was unter anderem Ursache dafür sein dürfte, dass diese Agonisten – aufgrund der D1-Dopaminrezeptoren im Nucl. Onuf – eine positive Wirkung auf die Harninkontinenz aufweisen. Dopaminagonisten mit D3-Affinität, wie zum Beispiel Pramipexol, sind besonders interessante Präparate in Bezug auf eine antianhedone und antidepressive Wirksamkeit. Dem Konzept der kontinuierlichen Dopamin-Rezeptorstimulation entsprechen besonders gut Präparate wie Cabergolin und Rotigotin, Cabergolin aufgrund seiner langen Plasmahalbwertszeit und Rotigotin aufgrund der kontinuierlichen transdermalen Applikationsform. Man geht davon aus, dass durch diese kontinuierliche Dopamin-Rezeptorstimulation Dyskinesien vermieden werden können.

Tab. 1. Charakteristika von Dopaminagonisten

Dopaminagonist

D1

D2

D3

a1

a2

b

5-HT

HWZ [h]

Bromocriptin

++

+

+

+

?

+

6

Cabergolin

+

+++

++

+

+

?

+

68

Alpha-Dihydroergocriptin

±

+++

?

+

+

0

+

16

Lisurid

±

+++

+++

±

±

?

±

2–3

Pergolid

+

+++

+++

±

++

+

+

16

Pramipexol

0

+++

+++

0

+

0

0

8–12

Ropinirol

0

+++

++

0

0

0

0

6–9

a1, a2, b: Adrenorezeptor-Subtypen; D1, D2: Dopaminrezeptor-Subtypen, die für die motorische Funktion wichtig sind, D3: Dopaminrezeptoren, die die Stimmung beeinflussen können; 5-HT: Serotoninrezeptor, HWZ: Plasmahalbwertszeit.

– Antagonist, + Agonist mit geringer Affinität, ++ Agonist mit mittlerer Affinität, +++ Agonist mit hoher Affinität, ± partieller Agonist, 0 Agonist mit sehr niedriger Affinität, ? keine Angaben verfügbar [mod. nach Gerlach et al. 2001].

Bei leichteren Fällen kann gemäß den Leitlinien neben dem Einsatz von Dopaminagonisten auch lediglich mit Selegilin oder Amantadin therapiert werden. Selegilin ist ein Monoaminoxidase-B-Hemmer, der dazu führt, dass der Abbau von endogen produziertem Dopamin verzögert und somit eine längere Dopamin-Rezeptorstimulation ermöglicht wird. In der nächsten Auflage der Leitlinien wird sicherlich zusätzlich Rasagilin, ein MAO-B-Hemmer der zweiten Generation, Einzug in das empfohlene Therapieregime finden. Rasagilin ist aus heutiger Sicht die Antiparkinsonmedikation, die mit der höchsten Wahrscheinlichkeit neuroprotektiv wirkt (vergleiche TEMPO-Studie). Somit wäre es aus meiner eigenen Betrachtungsweise auch durchaus gerechtfertigt, initial Rasagilin zu applizieren und erst bei nicht mehr ausreichender Symptomkupierung den Dopaminagonisten hinzuzufügen. Für noch geeigneter halte ich aus heutiger Sicht aber den kombinierten Einsatz von MAO-B-Hemmern plus Dopaminagonisten und würde sogar soweit gehen, auch den Einsatz von Amantadin zusätzlich zu propagieren, um möglichst lange den Einsatz von Levodopa zu verzögern.

Therapie des biologisch gealterten Patienten

In den Leitlinien wird der primäre und frühe Einsatz von Levodopa zusammen mit dem Decarboxylasehemmer empfohlen. Bei der Neukonzeption von Leitlinien wird sicherlich zu diskutieren sein, ob wir uns nicht primär sogar auf den Einsatz von Levodopa/Decarboxylasehemmer und Catechol-O-Methyltransferase(COMT)-Hemmer einigen können. Nachgewiesenerweise reduziert nämlich der Einsatz eines COMT-Hemmers wie Entacapon oder auch Tolcapon das Risiko für die Entwicklung Levodopa-induzierter Dyskinesien. In den bisher vorhandenen Leitlinien kommt der COMT-Hemmer in beiden Krankheitsgruppen erst in der mittleren Phase der Erkrankung zum Einsatz. Es ist aus meiner Sicht aber davon auszugehen, dass der Einsatz des COMT-Hemmers nach vorne rücken wird.

Für tremordominante Patienten wird in den Leitlinien der Einsatz von Betablockern bei zusätzlich bestehendem Haltetremor sowie bei nicht kognitiv beeinträchtigten Patienten der Einsatz von Anticholinergika neben dem von Dopaminergika empfohlen. Es ist unbestritten, dass auch tremordominante Patienten unter Dopaminagonisten bezüglich des Tremors profitieren. Die diesbezüglich bestuntersuchte Substanz ist Pramipexol, wobei wir selbst auch mit Ropinirol eine gute Antitremorwirkung feststellen konnten. Neueste Untersuchungen von Mitarbeitern aus der Arbeitsgruppe um David Brooks unterstrichen aber, dass die Korrelation zwischen dopaminerger Stimulation und Verbesserung des Tremors sehr schlecht ist, was darauf hinweist, dass die Tremorgenese wohl nicht (allein) auf einer Schädigung des dopaminergen Systems beruhen kann. Tremorpatienten, die keine kognitive Schädigung aufweisen, können mit Anticholinergika therapiert werden. Unter besonderen Kautelen (engmaschige EKG-Kontrollen) ist nach wie vor auch Budipin als gutes Antitremortherapeutikum zu nennen.

In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung kommen dann invasivere Methoden zum Einsatz, beispielsweise die Apomorphin-Pumpe, die Duodopa-Pumpe sowie die tiefe Hirnstimulation. Die tiefe Hirnstimulation ist insbesondere für Patienten geeignet, die unter schweren motorischen Fluktuationen, also rasch wechselnden On/Off-Phasen sowie Dyskinesien leiden und die in einem Levodopa-Test positiv ansprechen. Man muss den Patienten, der ein definiertes Off über die Nacht zu ertragen hat, darauf hinweisen, dass die Verbesserung und das klinische Bild, die er nach diesem definierten Off nach Einnahme von 200 mg Levodopa erreicht, dem Zustand entsprechen, den er unter tiefer Hirnstimulation erwarten darf. Somit sind Ausschlusskriterien für die tiefe Hirnstimulation das Nichtansprechen im Levodopa-Test, aber auch vorbestehende kognitive Funktionsstörungen wie schwerste Depressionen oder nicht medikamenteninduzierte Halluzinationen. Früher wurde eine obere Altersgrenze von etwa 70 bis dann 75 Jahren angegeben, was sich mittlerweile etwas aufgeweicht hat. Für Patienten, die für eine tiefe Hirnstimulation nicht geeignet sind – immerhin wird vom Patienten erwartet, dass er bis zu 12 Stunden bei vollem Bewusstsein auf dem Operationstisch kooperativ mitwirkt –, sind als wiederentdeckte beziehungsweise wirklich neue Therapieformen die Apomorphin-Pumpe und die Duodopa-Pumpe zu nennen. Beide Pumpensysteme erfordern entweder einen kognitiv und manuell geschickten Patienten oder dementsprechende Angehörige oder Betreuer des Patienten, die ihm helfen, die Pumpensysteme zu überwachen und entsprechend einzustellen.

Behandlung psychiatrisch relevanter Symptome

Depressionen treten bei mindestens 30% der Parkinson-Patienten auf und sind am ehesten mit Dopaminagonisten, Selegilin, selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) oder Nortriptylin zu behandeln. Demenzen treten bei bis zu 70% der Parkinson-Patienten über die Jahre auf und sind aus heutiger Sicht mit Cholinesterasehemmstoffen zu therapieren. Eine Zulassung besteht hierfür derzeit lediglich für Rivastigmin.

Nichtmedikamentöse Therapie

Wichtig ist, die Patienten darauf hinzuweisen, dass sie Levodopa nicht zusammen mit proteinreicher Nahrung einnehmen sollten, weil es hierbei zu einer Kompetition um die aktiven Transportmechanismen in der Darmwand sowie an der Blut-Hirn-Schranke kommt.

Eine äußerst hilfreiche Therapiemaßnahme ist die Logopädie; sie sollte bei den Patienten mit Artikulationsschwäche mit leiser, zum Teil nuschelnder unverständlicher Sprache zum Einsatz kommen. Besonders bewährt hat sich dabei das „Lee Silverman Voice Treatment“, von dem die Stimme insbesondere bezüglich der Lautstärke profitiert.

Weitere wichtige Therapiemaßnahmen bietet die Physiotherapie, insbesondere mit Maßnahmen zur Koordination, zur posturalen Stabilität und auch mit Gegenmaßnahmen bei bestehendem Freezing.

Zusammenfassung

Wie in Abbildung 1 dargestellt, ist die Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms mittlerweile per Leitlinie gut strukturiert, muss aber doch für jeden Patienten individuell adaptiert werden. Als Beispiel hierfür sei genannt, dass es einen Unterschied macht, ob ein Patient noch voll im Berufsleben steht und eine rasche und komplette Symptomkupierung anstrebt oder bereits im Ruhestand lebt und somit über einige Wochen mehr Zeit verfügt, bis eine ausreichende Symptombesserung erreicht wird. Wichtig ist, dem Patienten zu vermitteln, dass die genannten Therapeutika im Normalfall hervorragend geeignet sind, ihm wieder eine gute Lebensqualität für viele Jahre zurückzugeben. Es ist somit unsere Aufgabe, unsere Patienten aus ihrem psychischen Loch aufzufangen und ihnen bezüglich der Parkinson-Therapie Mut zu machen.

Abb. 1. Medikamentöse Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms in Abhängigkeit vom biologischen Alter, den Begleiterkrankungen und vom Krankheitsstadium

H & Y = Stadien nach Hoehn und Yahr [nach Lachenmayer und Reichmann, Geriatriejournal 2002;1–2:18–27]

Die Leitlinie im Volltext:

Parkinson-Syndrome. In: Kommission „Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie“, Diener HC et al. (Hrsg.). Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 3. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2005:48–71. Online unter www.dgn.org

Prof. Dr. med. Heinz Reichmann, Neurologische Universitätsklinik, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, E-Mail: Heinz.Reichmann@uniklinik-dresden.de

Psychopharmakotherapie 2007; 14(03)