Neurotraumatologie

Magnesiumsalz-Gabe bei Schädelhirntraumen nicht wirksam


Prof. Dr. Hans Christoph Diener Essen

Eine kontinuierliche Infusion von Magnesiumsalzen über fünf Tage bei Patienten mit mittelschweren und schweren Schädelhirnverletzungen ist nicht neuroprotektiv wirksam und hat möglicherweise sogar negative Auswirkungen.

Hintergrund

Schädelhirntraumen sind eine leider immer noch häufige Ursache von schweren Hirnschäden und anhaltender Behinderung. Die neuropathologischen und neurophysiologischen Vorgänge sind in der Zwischenzeit gut untersucht und in Tierexperimenten ist Magnesium in der Lage, die Schäden nach traumatischen Verletzungen des Gehirns zu reduzieren. Magnesium hemmt unter anderem die Freisetzung von exzitatorischen Neurotransmittern. Ob dies aber auch beim Menschen gilt, war bisher in großen Studien nicht untersucht.

Studiendesign

In die Studie wurden 499 Patienten im Alter von 14 und älter aufgenommen, die in einem Traumazentrum behandelt wurden. Die Studie war doppelblind und Plazebo-kontrolliert. Einschlusskriterien waren mittelschwere und schwere traumatische Hirnverletzungen mit Notwendigkeit eines neurochirurgischen Eingriffs, einem Wert auf der Glasgow Coma Scale zwischen 3 und 12 oder Notwendigkeit einer Intubation. Die Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt. In der ersten Gruppe wurden Magnesiumsalz-Dosen appliziert, die einen Serumspiegel zwischen 1 und 1,85 mmol/l erreichten, in der zweiten Gruppe wurden Magnesium-Spiegel von 1,25 bis 2,5 mmol/l angestrebt und die dritte Gruppe erhielt physiologische Kochsalz-Lösung.

Der primäre Endpunkt war ein kombinierter Endpunkt aus Sterblichkeit, epileptischen Anfällen, funktionellem Outcome und neuropsychologischen Tests sechs Monate nach der Verletzung. Bei den funktionellen Messungen wurde die Glasgow Outcome Scale und der SF-36 verwandt.

Ergebnis

Die Gabe von Magnesiumsalzen war unwirksam. In der Gruppe mit höherer Dosis war kein Unterschied und in der Gruppe mit mittlerer Dosis hatten Patienten, die Magnesiumsalze erhielten, sogar einen schlechteren Outcome als Patienten in der Plazebo-Gruppe. Bei der höheren Magnesiumsalz-Dosis bestand eine erhöhte Letalität. Alle anderen Komplikationen waren in beiden Gruppen gleich verteilt. Es gab keine Untergruppe, in der die Gabe von Magnesiumsalzen einen positiven Effekt gehabt hätte.

Kommentar

Zunächst muss den amerikanischen Autoren für die Planung und Durchführung dieser großen Studie gratuliert werden. Die Studie wurde, wie in den Vereinigten Staaten üblich, vom NINDS/NIH finanziert. Ähnlich wie beim Schlaganfall zeigt diese Studie leider ebenfalls, dass die Gabe von Magnesiumsalzen auch bei Schädelhirntraumen nicht neuroprotektiv wirksam ist. Bei der Vielzahl von Untergruppen und Outcome-Parametern ist auch gewährleistet, dass keine Untergruppe übersehen wurde, bei der Magnesium wirksam gewesen wäre. Eher besorgniserregend ist die Beobachtung, dass es unter Magnesiumsalz-Gabe sogar zu einer erhöhten Sterblichkeit kam. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass positive Ergebnisse von Tierexperimenten mit Ratten nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden können.

Quelle

Temkin NR, et al. Magnesium sulfate for neuroprotection after traumatic brain injury: a randomised controlled trial. Lancet Neurol 2007;6:29–38.

Psychopharmakotherapie 2007; 14(03)