Neurotraumatologie

Dexanabinol bei traumatischen Hirnschäden nicht wirksam


Prof. Dr. med. H. C. Diener, Essen

Dexanabinol, ein synthetisches Cannabinoidanalogon, ist nach den Ergebnissen einer großen Plazebo-kontrollierten Studie nicht wirksam in der Behandlung schwerer traumatischer Hirnverletzungen.

Schädelhirntraumen spielen vor allem im jugendlichen Alter eine wichtige Rolle bezüglich der Sterblichkeit und dauernder Morbidität. In tierexperimentellen Untersuchungen wurde gezeigt, dass synthetische Cannabinoidanaloga neuroprotektive Eigenschaften haben, in dem sie die Glutamat-Freisetzung hemmen, die Bildung freier Radikaler unterdrücken und Entzündungsreaktionen hemmen. In einer Phase-II-Studie mit kleiner Patientenzahl zeigte sich, dass Dexanabinol auch in der Lage ist, erhöhten Hirndruck zu reduzieren.

In eine multizentrische, Plazebo-kontrollierte Studie wurden 861 Patienten mit schwerem Schädelhirntrauma in 86 Krankenhäusern in 15 Ländern eingeschlossen. Die Patienten erhielten innerhalb von 6 Stunden entweder eine einmalige intravenöse Gabe von 150 mg Dexanabinol oder Plazebo.

Der primäre Endpunkt war die Glasgow-Outcome-Scale (Punkteskala, von 1=verstorben bis 5=nicht/leicht behindert, zur Einteilung des Verlaufs von Schädelhirntraumen), die 6 Monate später mit Hilfe eines Telefoninterviews erhoben wurde. Die Dichotomisierung zwischen günstigem und ungünstigem Verlauf wurde von der Prognose in der Ausgangssituation abhängig gemacht.

Subgruppen wurden vordefiniert nach Schwere der Verletzung und Zeitpunkt zwischen Unfallereignis und Beginn der Therapie. Sekundäre Endpunkte umfassten die Messung des Hirndrucks und ein Lebensqualitätinstrument.

Einschlusskriterien waren ein Alter zwischen 16 und 65 Jahre, Einschluss innerhalb von 6 Stunden, Schädelhirntrauma, das schwer genug war, um eine Messung des intrakraniellen Drucks zu rechtfertigen, ein Glasgow-Coma-Motor-Score zwischen 2 und 5 sowie hämodynamische Stabilität. Für die Studie wurden 7164 Patienten gescreent und 861 randomisiert. 429 Patienten erhielten Plazebo und 423 erhielten das Cannabinoidanalogon.

Es ergab sich kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen. Einen ungünstigen Verlauf zeigten 51% der Patienten in der Plazebo- und 50% in der Dexanabinol-Gruppe. Die Sterblichkeit betrug 15% und war in beiden Gruppen nicht unterschiedlich. Auch bei den Veränderungen des intrakraniellen Drucks und der Beatmungsdauer ergaben sich keine Unterschiede, ebenso nicht bei CT-Befunden, der Schwere der motorischen Ausfälle und dahingehend, ob die Patienten früher oder später als 4 Stunden nach dem Schädelhirntrauma behandelt worden waren.

In den sekundären Endpunkten wie Lebensqualität und Barthel-Index wurde kein unterschiedlicher Behandlungseffekt zwischen Dexanabinol- und Plazebo-Gabe festgestellt. Es ergaben sich aber auch keine Unterschiede in den Nebenwirkungen.

Kommentar

Ähnlich wie beim Schlaganfall ist es dringend notwendig, neuroprotektive Behandlungskonzepte bei Patienten mit Schädelhirntraumen zu entwickeln. Die medizinische Notwendigkeit ist noch höher als beim Schlaganfall, da von traumatischen Hirnläsionen überwiegend jüngere Menschen betroffen sind. Diese große multizentrische Studie, an der auch viele neurochirurgische Kliniken in Deutschland teilnahmen, zeigt, dass es durchaus möglich ist, auch Neuroprotektiva-Studien bei Patienten mit Schädelhirntraumen durchzuführen. Die Studie zeigt aber auch, dass Ergebnisse in kleinen Phase-II-Studien durch große Phase-III-Studien mit ausreichender Patientenzahl repliziert werden müssen. So war im vorliegenden Fall Dexanabinol in einer kleineren Vorstudie in der Lage, erhöhten Hirndruck zu senken. Dieser Effekt konnte in der großen Phase-III-Studie nicht nachgewiesen werden.

Quelle

Maas AIR, et al., on behalf of the Pharmos TBI Investigators. Efficacy and safety of dexanabinol in severe traumatic brain injury: results of a phase III randomised, placebo-controlled, clinical trial. Lancet Neurol 2006;5:38–45.

Psychopharmakotherapie 2006; 13(05)