Langzeittherapie der Schizophrenie

Risperidon-Depot: leitliniengestütztes Behandlungskonzept zur wirksamen Rezidivprophylaxe


Stefan Oetzel, Tübingen

Die Erhaltungstherapie verläuft bei schizophrenen Patienten oft nicht optimal: Trotz moderner oraler Antipsychotika ist die Rückfallrate zu hoch. Risperidon in Depotform ist eine wirksame, gut verträgliche Alternative zu oralen Präparaten und bildet daher eine wichtige Option für die langfristige Rezidivprophylaxe, wie auch die aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hervorheben.

Die hohen Rezidivraten sind immer noch das Hauptproblem in der Langzeittherapie der Schizophrenie. Etwa 80% der schizophrenen Patienten erleiden trotz medikamentöser Therapie innerhalb von fünf Jahren einen Rückfall. Hauptursache hierfür ist die vollständige oder partielle Non-Compliance vieler Schizophrenie-Kranker: Etwa die Hälfte aller Patienten führt im ersten Jahr nach der Entlassung keine oder nur eine unzureichende Rezidivprophylaxe mit Antipsychotika durch. Dies hat oft schwerwiegende Konsequenzen: So verlängert sich mit jedem Rückfall die Zeit bis zur Remission. Es kommt vermehrt zu stationären Aufnahmen, was die soziale und berufliche Reintegration der Betroffenen zunehmend erschwert. Insgesamt verschlechtert sich die Prognose der Patienten gravierend. Abgesehen von den Folgen für den einzelnen Patienten und sein Umfeld sind Rezidive und die daraus resultierenden Krankenhausaufenthalte zudem mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden.

Wesentliches Ziel der antipsychotischen Langzeittherapie ist also die Verhinderung von Rückfällen, und zwar schon möglichst früh. Trotz des vermehrten Einsatzes von besser verträglichen oralen atypischen anstelle der konventionellen Neuroleptika konnten in den letzten Jahren hier keine entscheidenden Fortschritte erreicht werden. Mit langwirksamem Risperidon (Risperdal® Consta®), dem bisher einzigen atypischen Depotpräparat, steht dem behandelnden Arzt aber eine erfolgversprechende Alternative zur Verfügung, um eine höhere Kontinuität in der Rezidivprophylaxe zu erreichen. Das Präparat verbindet den Vorteil einer gleichmäßigen Plasmakonzentration mit dem günstigen Rezeptorprofil des atypischen Neuroleptikums Risperidon, was wiederum das Risiko unerwünschter Wirkungen verringert. Gleichzeitig wird die Therapietreue transparent, das heißt, der behandelnde Arzt kann mangelnde Compliance aufgrund nicht wahrgenommener Injektionstermine – diese sind alle 14 Tage notwendig – frühzeitig erkennen und entsprechend gegensteuern. Zudem wird die Therapie auch bei einer versäumten Injektion nicht abrupt beendet, sondern der antipsychotische Schutz ist aufgrund der Depotwirkung längerfristig sichergestellt.

DGPPN-Leitlinien empfehlen Atypika und Depotbehandlung

Dass die Patienten auch in der Praxis von den Vorteilen einer Behandlung mit atypischen Depotpräparaten profitieren, belegen die Ergebnisse einer Reihe von Studien. So ergab eine Untersuchung von Chue et al. bei Gabe von Depot-Risperidon nach einem Jahr Rezidiv- und Rehospitalisierungsraten von 17,6%, während Studien von Rabinowitz et al. und Csernansky et al. bei oralen Präparaten dementsprechend Raten von 35% und 34,6% (konventionelle Neuroleptika) sowie 29,4% und 23,2% (atypische Neuroleptika) aufwiesen. Solche Ergebnisse werden auch in den aktuellen S3-Leitlinien der DGPPN berücksichtigt: Diese weisen darauf hin, dass Atypika in der Rezidivprophylaxe herkömmlichen Präparaten überlegen sind und Depot-Antipsychotika aufgrund ihrer pharmakologischen sowie psychologischen Vorteile in der Langzeittherapie grundsätzlich in Erwägung zu ziehen sind. Dass eine hohe Kontinuität – wie sie durch eine Depottherapie erreicht werden kann – gerade bei der Behandlung schizophrener Patienten von großer Bedeutung ist, wird ebenfalls in den neuen Leitlinien hervorgehoben. So werden nach einer Erstmanifestation der Erkrankung eine mindestens 12-monatige, nach einem ersten Rezidiv eine 2- bis 3-jährige und nach einem Mehrfachrezidiv eventuell sogar eine lebenslange Behandlung empfohlen.

Trotz der potenziellen Vorteile erhalten nur etwa 4 bis 5% der mit Neuroleptika behandelten Patienten ein Depotpräparat. Hierfür gibt es verschiedene Gründe, wie eine aktuelle Umfrage unter 350 deutschen Psychiatern ergeben hat: So schätzen viele Ärzte die Therapietreue ihrer Patienten sehr hoch ein, das heißt, aus ihrer Sicht ist eine Umstellung nicht notwendig. Untersuchungen belegen aber, dass schizophrene Patienten in der Regel sehr viel weniger compliant sind als ihre Psychiater vermuten (Abb. 1). Zudem verordnen viele Ärzte kein Depotpräparat, wenn es sich um eine Erstmanifestation der Erkrankung handelt, obwohl Untersuchungen zeigen, dass auch in diesen Fällen ein hohes Rückfallrisiko besteht und eine möglichst frühzeitige Rezidivprophylaxe sinnvoll wäre.

Abb. 1. Non-Compliance schizophrener Patienten nach Einschätzung ihrer Psychiater und nach objektiver Messung mittels MEMS (Medical event monitoring systems; Öffnen der Medikamentendose wird durch spezielle Elektronik registriert). Offensichtlich überschätzen viele Ärzte die Compliance ihrer Patienten erheblich [nach Byerly, et al. 156. APA-Meeting, San Francisco 2003, Poster]

Dass seitens der Patienten einer Depotbehandlung sehr viel weniger Skepsis entgegengebracht wird, belegen die Ergebnisse der FAME-I-Studie, in der 300 stationäre Schizophrenie-Kranke nach ihrer Einstellung zu ihrer Medikation befragt wurden: Demnach bevorzugte nahezu jeder vierte Patient ein Depotpräparat; weitere 16% sahen diese Behandlung als Alternative. Unter denjenigen Patienten, die aktuell eine Depottherapie erhielten, präferierten sogar 55% diese Form der Behandlung, über 18% sahen sie als denkbare Option. Viele Patienten haben also keine grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber einer Depotbehandlung, sondern wünschen diese sogar, vor allem wenn sie schon Erfahrungen damit gesammelt haben.

Fazit

Die Depottherapie mit langwirksamem Risperidon bietet eine wichtige Option bei der Langzeitbehandlung schizophrener Patienten und sollte daher grundsätzlich als mögliche Alternative in die Therapieplanung einbezogen werden. Dieser Ansatz wird auch durch die aktuellen DGPPN-Behandlungsleitlinien gestützt. Hier ist bei vielen Psychiatern ein Umdenkprozess erforderlich, zumal die Akzeptanz dieser Therapieform bei den Patienten verbesserungswürdig ist.

Quelle

Prof. Dr. med. Gerd Laux, Wasserburg, Dr. med. Frank-Gerald Pajonk, Homburg, Dr. med. Stephan Heres, München, Pressekonferenz „Leitliniengerechte Langzeittherapie der Schizophrenie: Neue Evidenz für die antipsychotische Depottherapie“, veranstaltet von Janssen-Cilag GmbH (Neuss), Beerse/Belgien, 4. März 2006.

Psychopharmakotherapie 2006; 13(04)