Major Depression

Duloxetin versus SSRI


Dr. Annemarie Musch, Stuttgart

Patienten mit Major Depression scheinen von einer Therapie mit Duloxetin mehr zu profitieren als von der Behandlung mit den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) Fluoxetin, Paroxetin und Escitalopram: Die Schwere der Erkrankung, gemessen mit der Hamilton-Depressions-Skala (HAMD-17) konnte entsprechend der Analyse gepoolter Studiendaten mit einer Duloxetin-Therapie deutlicher reduziert werden. Die Ergebnisse dieser Post-hoc-Analyse wurden auf einer Pressekonferenz der Firmen Lilly und Boehringer Ingelheim im Mai 2006 in Toronto vorgestellt.

Eine Major Depression kann sich sowohl in emotionalen als auch in physischen Symptomen wie Schmerzen äußern. Ursächlich für diese Symptome scheint eine Störung des Gleichgewichts der Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin im limbischen System zu sein. Eine konsequente, möglichst früh einsetzende Therapie der Betroffenen ist erforderlich, um ihnen und ihrem sozialen Umfeld ein möglichst normales Leben zu ermöglichen und einer chronischen, therapieresistenten Erkrankung vorzubeugen, aber auch um weiteren Risiken der Erkrankung, wie einem gesteigerten Selbstmordrisiko, zu begegnen. Therapieziel ist die Remission, die in Studien mit Antidepressiva allerdings nur von 25 bis 35% der Patienten erreicht wird. Wichtig ist, dass alle Symptome der Patienten bei der Therapie berücksichtigt werden, um diesem Therapieziel näher zu kommen und Rückfällen vorzubeugen.

Möglicherweise bieten Antidepressiva, die die beiden Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin beeinflussen (selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, SSNRI), hierbei durch ein anderes Wirkungsprofil einen Vorteil.

Dieser Frage wurde in einer Post-hoc-Analyse der gepoolten Daten von sieben randomisierten, Plazebo-kontrollierten Studien nachgegangen (Tab. 1). In diesen Studien wurde die Wirksamkeit des SNRI Duloxetin (Cymbalta®) mit der der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmenhemmer (SSRI)

 Fluoxetin (zwei Studien),

 Paroxetin (vier Studien) und

 Escitalopram (eine Studie)

verglichen.

Tab. 1. Behandlungsschemata der in die Analyse eingeschlossenen Studien zum Vergleich der Wirksamkeit von Duloxetin mit den SSRI Fluoxetin, Paroxetin und Escitalopram bei Patienten mit Major Depression [nach Hirschfeld R, et al.]

Studie

Dauer
[Wochen]

Duloxetin 60 mg/d

Duloxetin 40 mg/d

Duloxetin 80 mg/d

Duloxetin 120 mg/d

1: Vs. Fluoxetin (20 mg/d), Plazebo

8

X

2: Vs. Fluoxetin (20 mg/d), Plazebo

8

X

3: Vs. Paroxetin (20 mg/d), Plazebo

8

X

X

4: Vs. Paroxetin (20 mg/d), Plazebo

8

X

X

5: Vs. Paroxetin (20 mg/d), Plazebo

8

X

X

6: Vs. Paroxetin (20 mg/d), Plazebo

8

X

X

7: Vs. Escitalopram (10 mg/d), Plazebo

8

X

8, 9, 10, 11: Vs. Plazebo

7–9

X

Weiterhin wurden Plazebo-kontrollierte Duloxetin-Studien berücksichtigt (Tab. 1), um zusätzlich Zusammenhänge zwischen Dosis und Wirkung beurteilen zu können.

Die eingeschlossenen Patienten litten an einer Major Depression entsprechend der DSM-IV-Kriterien (DSM-IV=Diagnostic and statistical manual of mental disorders, revision IV) und wiesen bei den ersten beiden Studienvisiten einen Wert von ≥15 auf der Hamilton-Depressions-Skala (HAMD-17; Studie 7: Montgomery-Asberg-Depressions-Skala=MADRS ≥22) und einen Wert ≥4 im klinischen Globalurteil der Schwere der Erkrankung (CGI-S=Clinical Global Impression Severity) auf.

Die Patienten in den sieben Duloxetin-SSRI-Plazebo-Studien waren durchschnittlich zwischen 39 und 47 Jahren alt, 55 bis 74% waren Frauen und der durchschnittliche Gesamtwert auf der Skala HAMD-17 lag in einem Bereich von 17 bis 22. In den vier Duloxetin-Plazebo-Studien betrug das mittlere Alter 40 bis 43 Jahre (Studien 8, 9, 11) und 72 bis 74 Jahre (Studie 10), der Frauenanteil betrug 57 bis 72% und der Gesamtwert auf der Skala HAMD-17 lag durchschnittlich in einem Bereich von 18 bis 24.

Als Wirksamkeitskriterium diente der Gesamtwert der HAMD-17.

Nach acht Wochen zeigte sich im Vergleich eine signifikant deutlichere Reduktion im HAMD-17-Gesamtwert bei der Duloxetin-Therapie (Dosisbereich von 40–120 mg/d) als bei der Gabe der drei untersuchten SSRI (–9,16 vs. –8,50; p=0,032) (Tab. 2). Bei Betrachtung der einzelnen Items, die in den HAMD-17-Gesamtwert eingehen, zeigten sich signifikant bessere Ergebnisse der Duloxetin-Therapie gegenüber den SSRI für die Punkte Arbeit und sonstige Tätigkeiten, psychomotorische Retardierung, Genitalsymptome und Hypochondrie (Tab. 2).

Tab. 2. Vergleich der Wirksamkeit von Duloxetin und den SSRI Fluoxetin, Paroxetin und Escitalopram bei Patienten mit Major Depression gemessen mit Veränderungen im HAMD-17-Gesamtwert sowie den einzelnen HAMD-17-Items (angegeben sind durchschnittliche Veränderungen, gepoolte Daten aus sieben Studien) [nach Hirschfeld R, et al]

Mittlere Veränderung

p-Wert

HAMD-17-Gesamtwert,
Werte einzelner HAMD-17-Items

Duloxetin (n=1133)

Gepoolt SSRI (n=689)

Plazebo (n=641)

Duloxetin vs. gepoolt SSRI

Duloxetin vs. Plazebo

Gepoolt SSRI vs. Plazebo

Gesamtwert

–9,16

–8,50

–7,08

0,032

<0,001

<0,001

Depressive Stimmung

–1,44

–1,38

–1,07

0,219

<0,001

<0,001

Schuldgefühle

–0,74

–0,74

–0,57

0,897

<0,001

<0,001

Suizid

–0,32

–0,29

–0,23

0,240

<0,001

0,037

Einschlafstörungen

–0,47

–0,44

–0,41

0,356

0,071

0,413

Durchschlafstörungen

–0,39

–0,46

–0,38

0,057

0,644

0,038

Schlafstörung am Morgen

–0,45

–0,51

–0,38

0,060

0,058

<0,001

Arbeit, sonstige Tätigkeiten

–1,30

–1,17

–1,00

0,011

<0,001

0,005

Psychomotorische Retardierung

–0,57

–0,51

–0,47

0,029

<0,001

0,230

Erregung

–0,39

–0,36

–0,30

0,376

0,009

0,111

Angst, psychisch

–0,85

–0,78

–0,55

0,131

<0,001

<0,001

Angst, somatisch

–0,44

–0,44

–0,40

0,958

0,309

0,384

Somatische Symptome (GI)

–0,24

–0,23

–0,24

0,673

0,926

0,652

Körperliche Symptome allgemein

–0,64

–0,57

–0,51

0,056

<0,001

0,138

Genitalsymptome

–0,34

–0,20

–0,27

<0,001

0,035

0,081

Hypochondrie

–0,47

–0,36

–0,35

<0,001

<0,001

0,929

Gewichtsverlust

–0,09

–0,09

–0,10

0,842

0,536

0,702

Krankheitseinsicht

–0,06

–0,05

–0,04

0,582

0,352

0,719

Für die untersuchten SSRI konnte in keinem der Items eine Überlegenheit gegenüber der Gabe von Duloxetin gezeigt werden, wenngleich in den Punkten Durchschlafstörungen und Schlafstörung am Morgen ein Trend zugunsten der Gabe der drei untersuchten SSRI zu erkennen war (Tab. 2).

Fazit

Die Therapie mit Duloxetin scheint den Ergebnissen dieser Post-hoc-Analyse entsprechend bei Patienten mit mäßig schwerer Major Depression einen Wirkungsvorteil gegenüber der Gabe der SSRI Fluoxetin, Paroxetin und Escitalopram zu besitzen, der auf ein signifikant besseres Behandlungsergebnis in den HAMD-17-Items Arbeit und sonstige Tätigkeiten, psychomotorische Retardierung, Genitalsymptome und Hypochondrie zurückgeführt werden kann. Eine abschließende Gesamtbewertung ist aber mit diesen Daten nicht möglich, da die SSRI in den in die Analyse einbezogenen Studien jeweils in der niedrigsten wirksamen, festen Dosis eingesetzt wurden. Duloxetin wurde dagegen in Dosierungen von 40 bis 120 mg täglich eingesetzt. Diese Studien waren mit dem Ziel durchgeführt, die Nichtunterlegenheit von Duloxetin gegenüber diesen SSRI zu zeigen. Im Vergleich der unterschiedlichen Duloxetin-Dosierungen und ihrer Wirkung (gemessen mit dem HAMD-17) mit der Wirkung der drei SSRI scheint eine Dosis von 60 mg Duloxetin täglich mindestens ebenso wirksam zu sein wie die hier untersuchten SSRI in niedrigster wirksamer Dosierung.

Anzumerken ist weiterhin, dass sich die Ergebnisse dieser Analyse nur auf einen Behandlungszeitraum von acht Wochen beziehen.

Quelle

Michael Thase, Pittsburgh, Anita Clayton, Charlottesville, Joel Raskin, Indianapolis. Pressekonferenz „Duloxetine data vs SSRIs: Efficacy and sexual functioning“, veranstaltet von Lilly und Boehringer Ingelheim, anlässlich der 159. Jahrestagung der American Psychiatric Association, Toronto, 23. Mai 2006.

Hirschfeld R, et al. Efficacy of duloxetine versus combined SSRIs (fluoxetine, paroxetine, escitalopram) and placebo in the treatment of major depressive disorder. 159th American Psychiatric Association annual meeting, Toronto: Abstract NR228.

Psychopharmakotherapie 2006; 13(04)