Kleinhirninfarkt

Verlauf, Prognose und Vorgehen


Dr. Barbara Kreutzkamp, München

Kleinhirninfarkte variieren in klinischer Symptomatik und Verlauf. In einer Übersichtsarbeit wurden aktuelle Erkenntnisse zusammengetragen.

Ein Kleinhirninfarkt geht mit unterschiedlichen Symptomen wie Ataxie, Schwindel, Dysarthrie, Übelkeit, Erbrechen und starkem Kopfschmerz einher. Die Symptomatik variiert in ihrer Ausprägung und liefert nicht immer Anhaltspunkte über den weiteren Verlauf der Erkrankung. Eine kontinuierliche neurologische Überwachung ist daher erforderlich, um gegebenenfalls sofort operativ eingreifen zu können. Anhand von Fallbeispielen und Literaturübersichten von retrospektiv und prospektiv ausgewerteten Fallserien wurden in einer Übersichtsarbeit Anhaltspunkte für ein adäquates Vorgehen bei Patienten mit Kleinhirninfarkt herausgearbeitet.

Für die Beurteilung des Patienten müssen klinische und bildgebende diagnostische Verfahren kombiniert werden. Meist wird der Patient für etwa eine Woche auf der neurologischen Intensivstation überwacht. Bei einer eventuellen Verschlechterung können dort sofort weitere Diagnostikmaßnahmen veranlasst und gegebenenfalls entsprechende chirurgische Eingriffe vorgenommen werden. Beruht die Verschlechterung überwiegend auf einem obstruktiven Hydrozephalus, bietet sich die Ventrikulostomie als therapeutisches Vorgehen an, bei zunehmender Hirnstamm-Kompression als Ursache für die Verschlechterung wird eine Kraniektomie zur Entlastung der hinteren Schädelgrube durchgeführt.

In zahlreichen retrospektiven Studien fand man verschiedene Warnsymptome als Prädiktoren für einen schlechten Verlauf. Dazu gehören Bewusstseinsverlust, neu auftretende Hirnstammzeichen (vor allem Verlust des Corneareflexes) sowie die Entwicklung eines Hydrozephalus. Auch ein Blutdruck über 200 mmHg oder eine Mittellinien-Lokalisation des Infarkts sowie ein vollständig obliterierter vierter Ventrikel sind Hinweise auf eine schlechte Prognose.

Da bisher noch keine randomisierten kontrollierten Studien zum Vorgehen bei Kleinhirninfarkt vorliegen, wurde von Kirollos et al. ein standardisiertes Vorgehen vorgeschlagen. Das Protokoll konzentriert sich auf die klinische Einschätzung des Patienten in der Glasgow Coma Scale (GCS) und den Zustand des vierten Ventrikels.

 Wenn der vierte Ventrikel vollständig in Mitleidenschaft gezogen ist, sollte der Patient eine chirurgische Ausräumung und eine ventrikuläre Drainage erhalten.

 Bei normalem Zustand des vierten Ventrikels wird der Patient weiter beobachtet und bei Verschlechterung der GCS-Scores eine Ventrikel-Drainage gelegt.

 Bei Kompression des vierten Ventrikels und vollem Bewusstsein des Patienten ist konservatives Vorgehen indiziert.

 Eine Shuntlegung erfolgt bei GCS-Verschlechterung und Hydrozephalus. Steigt der GCS trotzdem kaum an oder ist kein Hydrozephalus vorhanden, wird der vierte Ventrikel evakuiert.

Nach diesem Protokoll wurden 50 konsekutive Patienten mit einem Kleinhirninfarkt behandelt, die Letalität lag bei 40% (allerdings starben die Patienten zu einem nicht unerheblichen Anteil aus medizinischen Gründen). Von den Überlebenden zeigten 80% ein gutes Ansprechen und konnten wieder ein weitgehend selbstständiges Leben führen.

Fallberichte

Beispielhaft für sehr gute Verläufe bei Kleinhirninfarkten seien zwei Fallberichte aufgeführt. Im ersten Fall entwickelte ein 47-jähriger Mann mit Hypertonie und Diabetes mellitus zunächst Übelkeit, Erbrechen und Schwindel, innerhalb von zehn Tagen kamen unter anderem Balancestörungen und eine Koordinationsstörung der rechten Hand hinzu. Im MRT fanden sich bilaterale zerebelläre Infarkte. Die Symptome besserten sich ohne weiteres Eingreifen und verschwanden bis auf eine leichte Ungeschicklichkeit der rechten Hand.

In einem weiteren Fall verspürte eine 48-jährige Aerobic-Lehrerin während einer Fitness-Stunde Schwindelattacken, war aber in der Lage, den Unterricht zu beenden. Nach zweimaligem Erbrechen in der Nacht traten zusätzlich starke Kopfschmerzen auf, derentwegen die Patientin in der neurologischen Ambulanz vorstellig wurde. Im CT zeigte sich ein Infarkt des medialen rechten Kleinhirnlappens, in der Angiographie ergab sich eine Okklusion der rechten Vertebralarterie. Trotz dieser auffälligen Befunde in den bildgebenden Verfahren regenerierte die Patientin nach einigen Tagen komplett. Solche leichten Verläufe eines Kleinhirninfarkts kommen wahrscheinlich häufiger vor und führen den Patienten häufig gar nicht zum Arzt.

Zwei andere Fallberichte zeigen den Verlauf bei Patienten, die bereits bei der ersten Vorstellung in der Klinik komatös waren. In beiden Fällen schritt die Bewusstseinseintrübung innerhalb einiger Stunden nach dem Auftreten der Erstsymptome (Unwohlsein, sehr starke Kopfschmerzen) rasch voran. Bereits bei der Erstbegutachtung waren die Pupillen starr, Cornea- und motorische Reflexe fehlten. Der Zustand bei beiden Patienten besserte sich nicht mehr (trotz chirurgischer Intervention in einem Fall), die Angehörigen entschieden sich für das Abschalten der lebenserhaltenden Maschinen, die Patienten verstarben.

Quelle

Jensen MB, et al. Management of acute cerebellar stroke. Arch Neurol 2005;62:537–44.

Psychopharmakotherapie 2005; 12(06)