Epilepsie

Zonisamid – „neuer“ alter Arzneistoff


Dr. Annemarie Musch, Stuttgart

Die zusätzliche Therapie mit Zonisamid (Zonegran®) führte bei Patienten mit therapierefraktärer fokaler Epilepsie – verglichen mit Plazebo – zu signifikant verringerter Anfallshäufigkeit und signifikant häufigerem Therapieansprechen. Als Nebenwirkung traten meist Schläfrigkeit, Schwindel und Gewichtsverlust auf. Zonisamid wurde für die Zusatztherapie bei Erwachsenen mit fokaler Epilepsie mit/ohne sekundär generalisierte Anfälle zugelassen. In Japan und den USA wird das Antiepileptikum bereits seit einigen Jahren eingesetzt.

In Deutschland leiden etwa 0,8% der Bevölkerung an Epilepsie. Trotz verschiedener Behandlungsmöglichkeiten kann bei bis zu einem Drittel der Patienten die angestrebte Anfallsfreiheit und vollständige Kontrolle der Epilepsie nicht erreicht werden.

Zonisamid (Zonegran®, 1,2-Benzisoxazol-3-methansulfonamid, Abb. 1) ist ein „neues“ Antiepileptikum, das sich strukturell von anderen Antiepileptika unterscheidet. Die antiepileptische Wirkung von Zonisamid scheint hauptsächlich auf einer Blockade von spannungsabhängigen Na+- (prä- und postsynaptisch) und Ca2+-Kanälen (T-Typ) und somit auf einer Stabilisierung des Nervenzell-Membranpotenzials zu beruhen. Gezeigt wurde aber beispielsweise auch eine Beeinflussung exzitatorischer und inhibitorischer Signaltransmission. Eine schwache Hemmung der Carboanhydrase soll über die vermehrte renale Ausscheidung von Na+-, K+- und HCO3--Ionen ebenfalls zu einer Stabilisierung des Membranpotenzials beitragen.

Abb. 1. Zonisamid (Zonegran®)

Zonisamid hat eine im Vergleich zu anderen Antiepileptika lange Halbwertszeit (etwa 63 Stunden). Die Substanz wird überwiegend renal eliminiert. Wichtige Metabolisierungsreaktionen sind die Acetylierung sowie die Reduktion und anschließende Glukuronidierung. Cytochrom-P450-Enzyme (CYP3A4, CYP2D6) sind beteiligt, scheinen aber nicht beeinflusst zu werden.

Zonisamid ist in Japan bereits seit 1989 und in den USA seit 2000 als Antiepileptikum im Handel und wurde nun in Europa für die Zusatztherapie bei Erwachsenen mit fokaler Epilepsie mit und ohne sekundär generalisierte Anfälle zugelassen. In randomisierten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Phase-III-Studien wurden über 800 Patienten mit therapierefraktärer fokaler Epilepsie mit Zonisamid als Zusatzmedikation behandelt, um dessen Wirksamkeit und Verträglichkeit zu untersuchen. Die bestehende antiepileptische Medikation der Patienten umfasste ein bis drei Arzneistoffe (zumeist Phenytoin, Carbamazepin, Phenobarbital, Primidon oder Valproinsäure).

Primäre Studienziele in einer dieser Studien (351 Patienten) waren die mittlere prozentuale Veränderung der Häufigkeit komplex-fokaler Anfälle ohne sekundäre Generalisierung und der Anteil der Patienten, der auf die Therapie ansprach. Das Therapieansprechen war primär definiert als eine Reduktion der Häufigkeit komplex-fokaler Anfälle ohne sekundäre Generalisierung um mindestens 50% gegenüber dem Ausgangswert. Sekundäre Studienziele waren die mittlere prozentuale Veränderung der Häufigkeit aller fokalen Anfälle ohne sekundäre Generalisierung sowie aller Anfälle und das Ansprechen der Patienten auf die Therapie.

Die Patienten wurden nach einer 12-wöchigen Ausgangsphase, in der Anfälle bei bestehender antiepileptischer Therapie dokumentiert wurden, vier verschiedenen Behandlungsgruppen zugewiesen: Sie erhielten entweder zusätzlich Plazebo oder Zonisamid in verschiedenen Dosierungen (Enddosis: 100, 300 oder 500 mg/Tag). Die Zonisamid-Dosis wurde in einer insgesamt 6-wöchigen Titrationsphase bis zur jeweiligen Enddosis auftitriert. Auf diese Phase folgte eine 18-wöchige Behandlungsphase mit der jeweiligen Enddosis oder Plazebo. Nach Studienende konnten die Daten von 294 Patienten für die Analyse der Wirksamkeit ausgewertet werden.

Nur Patienten, die mit 500 mg Zonisamid zusätzlich behandelt wurden, zeigten eine im Vergleich zu Plazebo signifikant geringere Häufigkeit komplex-fokaler Anfälle (51,2% Reduktion in der Zonisamid- vs. 16,3% in der Plazebo-Gruppe, p<0,0001, Abb. 2 oben) und sprachen auf die Therapie im Vergleich zu Plazebo signifikant häufiger an (53,3 vs. 21,3% der jeweils behandelten Patienten, p<0,0001, Abb. 2 unten).

Abb. 2. Wirksamkeit von Zonisamid bei Patienten mit therapierefraktärer fokaler Epilepsie [nach Brodie MJ, et al. 2005]: Primäre Studienziele waren die Reduktion der Anfallshäufigkeit (oben) und das Ansprechen auf die Therapie (unten)

Die Therapie mit sowohl 300 als auch 500 mg Zonisamid führte zu einer im Vergleich zu Plazebo signifikant stärkeren Reduktion der Häufigkeit einfach- und komplex-fokaler sowie aller Anfälle. Die Ansprechraten auf die Therapie waren bei Betrachtung einfach- und komplex-fokaler sowie aller Anfälle nur bei der höchsten Dosierung des Antiepileptikums (500 mg) signifikant höher.

Eine zusätzliche Analyse ergab ein deutlich dosisabhängiges Ansprechen der Patienten auf die zusätzliche Therapie mit Zonisamid.

Häufige Nebenwirkungen waren Somnolenz, Schwindel, Kopfschmerzen und Übelkeit in der Titrationsphase sowie Kopfschmerzen und Pharyngitis in der folgenden Behandlungsphase. Außerdem wurde bei den Patienten ein geringfügiger Gewichtsverlust bemerkt.

Somnolenz, Schwindel und ein Gewichtsverlust der Patienten wurden auch in anderen Studien als häufige Nebenwirkungen festgestellt.

Die Nebenwirkungshäufigkeit scheint in der Titrationsphase durch langsames Steigern der Zonisamid-Dosis reduziert zu werden, so das Ergebnis einer Studie, in der 152 Patienten eine Zusatztherapie mit Zonisamid erhielten (4-wöchige Titrations- und 8-wöchige Behandlungsphase mit einer Zonisamid-Dosis zwischen 400 und 600 mg/Tag). Es wurde eine im Vergleich zu Plazebo signifikant stärkere Reduktion der Häufigkeit auftretender fokaler, komplex-fokaler sowie aller Anfälle festgestellt. Signifikant höheres Ansprechen auf die Therapie mit Zonisamid wurde nur bei komplex-fokalen Anfällen beobachtet.

In einer weiteren Studie (139 Patienten) konnte bei mit Zonisamid behandelten Patienten (Dosis zwischen 400 und 600 mg/Tag, 4-wöchige Titrations- und 8-wöchige Behandlungsphase) ebenfalls eine im Vergleich zu Plazebo signifikant verminderte Häufigkeit komplex-fokaler Anfälle festgestellt werden. Ein signifikant höheres Ansprechen auf die Therapie wurde bei generalisierten und fokalen Anfällen beobachtet.

Interessanterweise stellte sich in einer Studie mit 203 Patienten (Daten von 146 Patienten waren am Studienende, nach 20 Wochen auswertbar) eine Dosierung von 100 mg Zonisamid täglich als minimal wirksame Dosierung heraus: Die Häufigkeit aller Anfälle war beispielsweise im Vergleich zu Plazebo signifikant reduziert. Eine tägliche Dosis von 400 mg Zonisamid war die wirksamste Dosierung.

Fazit: Die Zusatztherapie mit Zonisamid bei Patienten mit therapierefraktärer fokaler Epilepsie erwies sich als wirksam, wobei ein breites Wirkungsspektrum vorzuliegen scheint. Zwar wurde nur in vereinzelten Fällen die Anfallsfreiheit der Patienten erreicht, eine bessere Kontrolle der Anfälle bei diesen bislang therapierefraktären Patienten scheint jedoch möglich.

Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf, Schläfrigkeit und Schwindel überwogen bei den Patienten. Die Gewichtsreduktion wurde auch in einer Studie mit gesunden Probanden nachgewiesen. Auch aus dem langjährigen Einsatz von Zonisamid in anderen Ländern sind keine weiteren schwerwiegenden Nebenwirkungen bekannt. Vielmehr erfolgt hier eine breitere Anwendung der Substanz: Zonisamid wird u.a. als Monotherapie und auch zur Behandlung von Epilepsie bei Kindern eingesetzt. Sollten sich die Erwartungen, die an die neue Zusatzmedikation in der Behandlung gerade auch schwer therapierbarer Epilepsie-Patienten gestellt werden, bestätigen, so scheint eine Zulassungserweiterung möglich. Langzeitbeobachtungen der Therapie mit Zonisamid erfolgen derzeit in zehn offenen Studien.

Quellen

Prof. Dr. med. Christian Elger (Bonn), Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Schulze-Bonhage, Dr. med. Stefan Stodieck (Hamburg), Andreas Wiegand (Frankfurt/M). Einführungs-Pressekonferenz „Neu in der Epilepsie-Behandlung: Zonegran® – fokale Anfälle stark im Griff“ München, 30. Mai 2005, veranstaltet von der Eisai GmbH Frankfurt/M.

Brodie MJ, et al. Dose-dependent safety and efficacy of zonisamide: a randomized, double-blind, placebo-controlled study in patients with refractory partial seizures. Epilepsia 2005;46:31–41.


Psychopharmakotherapie 2005; 12(05)