Kosten und Effekte von Risperidon in Depotform


Vergleich mit oralen Atypika und konventionellen Depotformulierungen in der Therapie von Schizophrenie-Patienten in Deutschland

Hans-Jürgen Möller, München, Gerd Laux, Wasserburg a. Inn, Dieter Naber, Hamburg, Markus Theodor Gastpar, Essen, Joachim Klosterkötter, Köln, Max Schmauss, Augsburg, Bart Heeg, Aukje Van Gestel und Ben Van Hout, Rotterdam, und Angelika Mehnert, Neuss

Die Behandlung von Schizophrenie-Patienten mit Depotformulierungen kann langfristig die erforderliche Patientencompliance steigern und damit Rezidivraten senken. Die Therapie mit Depotformulierungen ist jedoch im Vergleich zur täglichen oralen Verabreichung mit höheren Medikationskosten verbunden. In einer Simulation von Langzeit-Behandlungsverläufen (auf Grundlage verfügbarer Daten aus doppelblinden und offenen Studien) wird untersucht, inwieweit die zu erwartenden Vorteile in der Rezidivprophylaxe und für die Compliance diese Mehrkosten aufwiegen können. Über einen Zeitraum von fünf Jahren werden Patienten in drei Therapiearmen ambulant behandelt: Ein Therapiearm jeweils mit Haloperidol- oder Risperidon-Depot – bei Auftreten von Rezidiven oder Nebenwirkungen wird auf Olanzapin oder Clozapin umgestellt – sowie ein Therapiearm mit Olanzapin und bedarfsweiser Umstellung auf orales Risperidon und Clozapin. Die Kosten der nach Standard dosierten Medikation und der ärztlichen Versorgung werden aus der Perspektive der Gesetzlichen Krankenversicherung für das Basisjahr 2004 betrachtet. Im Vergleich der Therapiearme erweist sich der Einsatz von Risperidon in Depotform als überlegene Therapieoption in der Wirksamkeit und den Einspareffekten. Patienten des Risperidon-Depot-Therapiearms werden mit durchschnittlich 35 Monaten länger mit der First-Line-Medikation behandelt (Haloperidol-Depot 31 Monate, Olanzapin 27 Monate). Ebenfalls werden hier mit 9,9% auch mehr Patienten über den gesamten Untersuchungszeitraum mit ihrer Ausgangsmedikation behandelt (Haloperidol-Depot 8,9%, Olanzapin 8,0%). Die in der ambulanten Therapie entstehenden höheren Medikationskosten können durch vermiedene Überweisungen an Tageskliniken, Krankenhäuser und psychiatrische Einrichtungen kompensiert werden. Mit undiskontierten Gesamtbehandlungskosten von 95318  erweist sich die Risperidon-Depot-Therapie als Kosten sparend im Vergleich zur Therapie mit Haloperidol-Depot (97336 ) und Olanzapin (101414 ). In der ärztlichen Praxis stehen einer Investition in die Arzneimitteltherapie mit atypischen Depotformulierungen jedoch Arzneimittelbudgets gegenüber. Um hier eine sektorenübergreifende Entlastung zu erzielen, wäre eine stärkere Verzahnung der unterschiedlichen ambulanten und stationären Leistungen unter einem gemeinsamen Budget anzustreben.
Schlüsselwörter: Schizophrenie, Risperidon in Depotform, konventionelle Depotformulierungen, Kostenanalyse, Deutschland
Psychopharmakotherapie 2005;12:183–92.

Schizophrenie ist eine der häufigsten und teuersten psychiatrischen Erkrankungen. Die Punktprävalenz beträgt 1,4 bis 4,6 auf 100000 Einwohner weltweit, die Lebenszeitprävalenz etwa 1%. In Deutschland sind mindestens 800000 Menschen in ihrem Leben von einer Erkrankungsperiode betroffen. Die Jahresinzidenz wird hier bei rund 0,2 pro 100000 Einwohner gesehen. Dies entspricht etwa 15000 Neuerkrankungen jährlich in Deutschland [31, 35]. Erste Symptome treten meist zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr auf. Schätzungen zufolge heilen lediglich rund 20% aller Ersterkrankungen ohne Rückfall aus. In der Mehrzahl der Fälle verläuft die Erkrankung chronisch rezidivierend [30, 35]. Langfristige psycho-pharmakologische und psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung ist erforderlich, sowohl ambulant durch einen Facharzt, eine Tagesklinik oder eine Institutsambulanz als auch stationär in einer Klinik oder Pflegeeinrichtung.

Klinische Daten belegen überzeugend die Wirksamkeit der Neuroleptika-Therapie in der Symptomreduktion und Rezidivprophylaxe. Auch der Stellenwert neuerer Antipsychotika in der Schizophreniebehandlung ist unter anderem für folgende Punkte belegt: Verträglichkeit, Einsatz in der Rezidivprophylaxe sowie Verbesserung der Negativsymptomatik, Kognition und Lebensqualität [9, 11, 13, 28, 32]. Evidenzbasierte Leitlinien [15, 36], Therapieempfehlungen der nationalen und internationalen Fachgesellschaften [1, 16, 31] und Expertenkonsens-basierte Leitlinien [28] empfehlen daher den Einsatz moderner Antipsychotika als Mittel der Wahl in der Schizophrenie-Behandlung, insbesondere bei mangelnder Verträglichkeit oder eingeschränkter Wirksamkeit unter klassischer Neuroleptika-Therapie, sowohl unter Wirksamkeits- als auch unter Kosten-Effektivitäts-Aspekten.

Unter täglichen Routinebedingungen liegt die Rezidivrate deutlich höher als unter optimalen Therapiebedingungen, wie sie beispielsweise in klinischen Studien zu erzielen sind. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in unzureichender Compliance der Patienten: Etwa die Hälfte bis zu zwei Drittel der Schizophrenie-Patienten nehmen ihre Medikation nicht wie vorgeschrieben ein [38, 48]. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle, die von Vergessen der Medikamenteneinnahme (auch wegen krankheitsbedingter kognitiver Beeinträchtigung), unangenehmen Nebenwirkungen, der psychotischen Symptome selbst, fehlender Krankheitseinsicht, insbesondere bei guter symptomatischer Wirksamkeit, mangelnder familiärer oder sozialer Unterstützung bis zum Behandlungsort (stationär/ambulant) reichen [20]. Trotz therapeutischer Vorteile ist die Compliance unter modernen oralen Antipsychotika daher verglichen mit dem Einsatz klassischer Neuroleptika nur leicht gestiegen [17, 33].

Für Patienten, die non-compliant sind, steigt die Wahrscheinlichkeit einer erneuten psychotischen Episode innerhalb von zwei Jahren auf das Vierfache im Vergleich zu Patienten, die regelmäßig Antipsychotika einnehmen. Norquist und Regier sehen die Zahl der Patienten, die nach Abbruch der Pharmakotherapie innerhalb eines Jahres ein Rezidiv erleiden, sogar bei 65 bis 75% [39]. In der Folge werden vermehrt Ressourcen in der Gesundheitsversorgung in Anspruch genommen, unter anderem dadurch, dass stationäre Wiederaufnahmen der Patienten notwendig werden [22].

Vergleichende Untersuchungen zwischen oralen Formulierungen und Depotformulierungen klassischer Neuroleptika zeigen, dass Depotformulierungen geeignet sein können, die langfristig erforderliche Patientencompliance zu steigern und Rezidivraten zu senken [14, 40]. Anders als die orale Gabe des Wirkstoffs, die täglich vorzunehmen ist, wird die Depotformulierung durch intramuskuläre Injektion verabreicht, je nach Wirkstoff einmal im Abstand von zwei bis vier Wochen. Der Wirkstoff wird langsam im Körper freigesetzt, so dass der Patient eine langfristige Wirkung nach Gabe der Depotformulierung erfährt. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) und das britische National Institute of Clinical Excellence (NICE) empfehlen in ihren Therapieleitlinien daher entsprechend ihrer einfachen Handhabung Depotformulierungen zur Steigerung der Compliance und Rezidivprophylaxe [31, 32]. Da die klassischen Depotpräparate aber, verglichen mit modernen Antipsychotika, dieselben Limitationen in den Punkten Verträglichkeit und Symptomverbesserung aufweisen wie die oral zu verabreichenden Substanzen, war der Einsatz dieser Mittel in der jüngeren Vergangenheit begrenzt [25].

Mit langwirksamem Risperidon steht erstmals ein modernes Antipsychotikum in einer Depotformulierung zur Verfügung.

Wie bei klassischen Neuroleptika, ist auch die Depotformulierung von Risperidon im Vergleich zur täglichen oralen Verabreichung mit höheren Medikationskosten verbunden. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern die zu erwartenden Vorteile eines modernen Depot-Antipsychotikums in der Rezidivprophylaxe und für die Compliance diese Mehrkosten aufwiegen. Da zum gegebenen Zeitpunkt noch keine vergleichenden naturalistischen Langzeit-Daten vorliegen, um diese Frage abschließend zu beantworten, wurden Langzeit-Behandlungsverläufe modellhaft simuliert.

Methoden

In einer „Discrete-Events“-Modellrechnung werden die Kosten und Effekte eines typischen Versorgungsablaufs in der Therapie schizophrener Patienten erhoben [11, 23, 24, 45]. Es werden die Behandlungsverläufe von Patienten betrachtet, die bereits an Schizophrenie erkrankt sind und mindestens eine psychotische Episode hatten. Dem Kompetenznetz Schizophrenie folgend wird für 45% dieser Patienten eine vollständige Remission zwischen Rezidiven und für 55% eine partielle Wiederherstellung angenommen, die bei 45% (absolut) zu zunehmender sozialer Beeinträchtigung führt [30]. Das durchschnittliche Alter der Patienten bei Modellbeginn liegt bei 34,4 Jahren (±11,0 Jahre), die durchschnittliche Lebenserwartung bei 61 Jahren für Männer und 65 Jahren für Frauen [37]. Der Epidemiologie der Krankheit folgend, wird im Modell eine Gleichverteilung von Männern und Frauen angenommen.

Im Modell werden drei Therapiearme miteinander verglichen (Abb. 1):

 Im ersten Therapiearm werden die Patienten initial mit Depot-Haloperidol therapiert. Treten im weiteren Versorgungsablauf mehrfach Rezidive oder Nebenwirkungen auf, ist eine Umstellung der Medikation auf orales Olanzapin und Clozapin vorgesehen.

 Im zweiten Therapiearm wird initial langwirksames Risperidon eingesetzt und danach analog zum ersten Therapiearm verfahren.

 Im dritten Therapiearm werden die Patienten initial mit oralem Olanzapin therapiert. Gegebenenfalls erfolgt ein Medikationswechsel zu oralem Risperidon und Clozapin. Clozapin stellt in allen Therapiearmen die Ultima-Ratio in der Behandlung dar.

Abb. 1. Therapiearme

Alle Medikationen werden in der empfohlenen Standarddosierung betrachtet.

Die Kosten und Effekte der jeweiligen Therapieoption werden über einen Zeitraum von fünf Jahren in den drei Behandlungsarmen mit je 4000 Patienten untersucht. Alle Kosten und Effekte werden, gesundheitsökonomischen Standards entsprechend, sowohl nominal als auch zum Gegenwartswert ausgewiesen. Der Gegenwartswert wird analog zu finanzmathematischen Methoden ermittelt, indem zukünftige Kosten und Effekte mit einem Diskontierungszinsfuß (hier 5%) abgezinst (diskontiert) werden. Die Daten, die in das Modell eingingen, wurden der Literatur entnommen und durch ein modifiziertes Delphi-Panel ergänzt. Hierbei wurden zunächst in einer Panelrunde Modellkonstrukt und -methode vorgestellt, diskutiert und validiert. In individuellen, strukturierten Interviews gaben die Experten Schätzungen ab, auf deren Basis das Modell angepasst und ausgeführt wurde. Die Schätzungen wurden den Panelteilnehmern zusammen mit den Modellergebnissen in einem Report zugesandt und in einer weiteren Panelrunde diskutiert, modifiziert und auf diese Weise validiert.

Als Nebenwirkungen, die innerhalb der Therapiearme auftreten können, werden extrapyramidale Symptome (EPS) berücksichtigt sowie tardive Dyskinesien, Sedierung, Gewichtszunahme und Agranulozytose. Die für die Modellierung zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von Nebenwirkungen je nach eingesetzter Medikation wurden der Literatur entnommen und sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tab. 1. Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von Nebenwirkungen

EPS
[11, 46]

Tardive
Dyskinesien
[11]

Sedierung
[34]

Gewichtszunahme
[50]

Agranulozytose
[5]

Haloperidol-Depot

0,176

0,027

0,250

0,100

0,000

Risperidon oral

0,090

0,006

0,070

0,120

0,000

Olanzapin

0,070

0,006

0,140

0,320

0,000

Risperidon-Depot [18]

0,090

0,006

0,070

0,120

0,000

Clozapin

0,000

0,000

0,270

0,450

0,010

Treten als Nebenwirkungen Agranulozytose oder tardive Dyskinesien auf, wird angenommen, dass in jedem Fall ein Medikationswechsel erfolgt. Leidet ein Patient aufgrund der Behandlung mit dem typischen Neuroleptikum Depot-Haloperidol an extrapyramidalen Symptomen, wird angenommen, dass der Patient mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% auf ein Atypikum umgestellt wird. Tritt dies bei der Behandlung mit den atypischen Neuroleptika auf, wird die Therapie mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% auf ein anderes Atypikum umgestellt. Bei Gewichtszunahme und Sedierung erfolgt ein Medikationswechsel mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% für das typische Neuroleptikum und von 50% für die atypischen Neuroleptika. Schließlich wird angenommen, dass ein Psychiater in 90% aller Fälle die Medikation umstellt, wenn ein Patient unter einer verabreichten Medikation mehr als zwei Rezidive erfährt. Die Verweildauer auf derselben Medikation stellt somit auch einen Indikator für Wirksamkeit und Verträglichkeit dar, wobei eine längere Verweildauer eine bessere Verträglichkeit und Wirksamkeit reflektiert.

Simulation

Jedem Patienten werden zu Beginn eines Simulationsdurchlaufs im Zufallsverfahren Patientencharakteristika aus einer vordefinierten Verteilung zugewiesen (Tab. 2). Der weitere Verlauf der Patientenhistorien wird mit zeitabhängigen Variablen simuliert. Die Behandlung der Patienten erfolgt entweder ambulant oder stationär. Dabei entscheidet der Grad der Selbstversorgung eines Patienten über die Behandlungseinrichtung, in der er versorgt wird. Je weniger ein Patient in der Lage ist, sein tägliches Leben zu organisieren (Grad der Desorganisation), desto eher wird er in stärker überwachten Einrichtungen behandelt. Eine Übersicht der im Modell zugrunde gelegten Variablen wird in Tabelle 2 gegeben.

Tab. 2. Modellvariablen

Patientencharakteristika

Patientenhistorie (Zeitabhängige Variablen)

Patientenprofil

– Rezidivierend ohne Residualsymptomatik

– Rezidivierend mit gleichbleibender Residualsymptomatik oder

– Rezidivierend mit zunehmender Residualsymptomatik

Krankheitsstatus

– Zeit in einem Rezidiv

– Zeit zwischen Rezidiven

Schweregrad der psychotischen Episoden

Symptome

Lebenserwartung

Grad der Desorganisation

Alter

Ambulanter Arztbesuch

Geschlecht

Behandlungsumstellung

Auftreten von Nebenwirkungen

Compliance

Behandlungseinrichtung

– Ärztliche Praxis

– Institutsambulanz

– Betreutes Wohnen

– Tagesklinik

– Klinik

– Pflegeheim

Die Simulation der Patientenhistorie beginnt in dem Moment, in dem der Patient wegen einer Exazerbation einen Facharzt aufsucht. Es wird angenommen, dass sich ein Patient im ersten Quartal der Behandlung zwei Wochen nach dem initialen Besuch wieder vorstellt. Ab dem zweiten Quartal stellt sich der Patient quartalsweise beim Arzt vor. Bei jedem Patientenbesuch evaluiert der Arzt die gewählte Therapieoption und die jeweilige Versorgung und Unterbringung des Patienten. Auch bewertet der Arzt bei jedem Besuch die Symptomatik des Patienten, die im Modell anhand von PANSS-Werten dargestellt wird.

Das Besuchsschema wird entweder nach einem Medikationswechsel, nach einem Krankenhausaufenthalt oder für den Fall neu angesetzt, dass der Patient nach seinem letzten Arztbesuch einen zweiten Rückfall erleidet. Befindet sich der Patient in einem akuten Rezidiv wird die Besuchsfrequenz erhöht. Während des Rezidivs stellt sich der Patient alle zwei Wochen bei seinem Arzt vor, sofern sich der Patient nicht in stationärer Behandlung befindet. Ist der Patient rezidivfrei, beginnt das reguläre Besuchsschema von neuem. Pro Quartal werden insgesamt nicht mehr als drei Arztbesuche für die Kostenberechnung berücksichtigt.

Die durchschnittliche Dauer einer stabilen, rezidivfreien Zeit unter kontinuierlicher atypischer oder konventioneller Neuroleptika-Therapie wurde einer randomisierten doppelblinden Endpunktstudie von Csernansky und Mitarbeitern entnommen, in der Patienten, die mit Risperidon oder Haloperidol behandelt wurden, eine durchschnittliche rezidivfreie Zeit von 15 oder 13 Monaten erlebten [12]. Die Behandlung mit Risperidon verlängert somit die rezidivfreie Zeit gegenüber Haloperidol. Obwohl keine vergleichbaren Nachweise für die anderen Atypika vorliegen, wird angenommen, dass dieser Effekt gleichermaßen auch für die anderen neueren Antipsychotika im Modell gilt. Weiterhin zeigen klinische Studien, dass das Rezidivrisiko bei Patienten, die ihre Medikation nicht mehr einnehmen, um den Faktor 5 gegenüber atypischer Behandlung und um den Faktor 4,3 gegenüber konventioneller Neuroleptika-Therapie zunimmt [8, 26, 27]. Die Zeit zwischen zwei Rezidiven hängt daher neben der Medikation auch von der Therapietreue ab. Schließlich haben auch Patientenprofil und die Schwere der Erkrankung Einfluss auf die Dauer einer rezidivfreien Periode. Die Dauer eines Rezidivs variiert ebenfalls mit der Schwere der Erkrankung und dem Patientenprofil, sie wird jedoch konservativ als unabhängig von der jeweilig eingesetzten Medikation und Compliance angenommen.

Die Definition von Compliance in diesem Modell ist relativ grob. Zeigt ein Patient Compliance, wird angenommen, dass er seine Medikation regelmäßig einnimmt. Zeigt der Patient keine Compliance, nimmt er sein Medikament nicht mehr ein. Wie oben dargestellt, hat Compliance in der Simulation Auswirkungen auf die Zeit zwischen Rezidiven, jedoch nicht auf die Dauer eines Rezidivs. Ob ein Patient compliant ist, hängt wiederum vom Versorgungsumfeld, der Art der Behandlung sowie dem Gesundheitsstatus ab. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, compliant zu sein, unter Depot-Therapie höher als unter oraler Therapie [40]. Weiterhin ist die Wahrscheinlichkeit, compliant zu sein, in stärker überwachten Einrichtungen höher [40].

Für den Krankheitsstatus schließlich wird während eines Rezidivs für alle oralen Atypika die gleiche Compliance-Wahrscheinlichkeit angenommen [17]. Obwohl in Untersuchungen ein leichter Compliance-Vorteil für orale Atypika gegenüber konventionellen oralen Neuroleptika festgestellt wurde [17], wird im Modell weiterhin konservativ angenommen, dass die Compliance unter konventionellem und atypischem Depot während eines Rezidivs gleich ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient in der Zeit zwischen zwei Rezidiven compliant ist, variiert ebenfalls nicht unter den im Modell eingesetzten Atypika. Sie wird aber bei Haloperidol aufgrund des ungünstigeren Nebenwirkungsprofils um absolut 5% niedriger angesetzt als während eines Rezidivs. Tabelle 3 gibt einen Überblick zu den Wahrscheinlichkeiten der Compliance während eines Rezidivs.

Tab. 3. Wahrscheinlichkeiten der Compliance während eines Rezidivs

Haloperidol-
Depot

Orale
Atypika

Risperidon-
Depot

Ambulante ärztliche Behandlung

0,85

0,70

0,85

Institutsambulanz/Betreutes Wohnen

0,90

0,75

0,90

Tagesklinik/Klinik/Pflegeheim

0,98

0,85

0,98

Obwohl das Modell komplex erscheint, verfährt es nach einfachen Mechanismen. In der klinischen Literatur werden Unterschiede zwischen Neuroleptika der ersten und zweiten Generation aufgezeigt [13]. Bei einem Vergleich von Risperidon-Depot mit Haloperidol-Depot als Ersttherapie werden daher unterschiedliche Therapieergebnisse in der Symptomkontrolle [11, 33] und der Dauer bis zu einem neuen Rezidiv erwartet [12]. Geringere Symptomatik ist verknüpft mit einer niedrigeren Wahrscheinlichkeit der Desorganisation [4], was einen geringeren Bedarf an intensiver Betreuung impliziert. Bei einem Vergleich von Risperidon in Depotform mit oralen Atypika als Erstbehandlung beruhen unterschiedliche Therapieergebnisse überwiegend auf Unterschieden in der Compliance, da konservativ angenommen wird, dass die verschiedenen Präparate zwar leichte Unterschiede in den Nebenwirkungsprofilen aufweisen, aber (unter kontrollierter Einnahme) vergleichbare Wirksamkeit besitzen [6, 13]. Dagegen deuten aber verschiedene Untersuchungen darauf hin, dass eine Depotmedikation mit höherer Compliance assoziiert ist als eine orale Medikation [40]. Weiterhin weisen nicht-adhärente Patienten eine höhere Wahrscheinlichkeit auf, ein Rezidiv zu erleiden und daraufhin intensiver behandelt zu werden [47, 49].

Analyse der Kosten und Effekte

Das Modell berücksichtigt direkte Kosten. Es werden die Kosten, die bei Arztbesuchen und Inanspruchnahme unterschiedlicher Versorgungseinrichtungen anfallen sowie Medikationskosten erfasst. Indirekte Kosten, wie beispielsweise Produktivitätsverluste, sowie Kosten, die auf Seiten der betreuenden Angehörigen entstehen, werden nicht in die Analyse einbezogen.

Die Kosten für Medikation und ärztliche Versorgung werden aus der Perspektive der gesetzlichen Krankenversicherung betrachtet. Als Basisjahr wird das Jahr 2004 zugrunde gelegt. Für die ambulante Behandlung werden die Kosten auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) ermittelt [19]. Hierbei wird angenommen, dass 25% aller Behandlungstermine länger als 30 Minuten dauern. Weiterhin wird die Anzahl der bei der GKV abrechenbaren Besuche auf drei pro Quartal limitiert. Einem Punkt einer EBM-Leistung wird ein Wert von 4 Euro Cents [29] zugeordnet. Medikationskosten werden anhand der Roten Liste [18] erhoben, wobei die für die GKV nicht kostenwirksamen Apotheken- und Herstellerrabatte und Patientenselbstbehalte nicht in die Berechnung eingehen. Als Maß für die Tagesdosis werden die von der WHO definierten Tagesdosen (WHO-Defined Daily Dosages, WHO-DDD) herangezogen, die dem Arzneiverordnungsreport zufolge die derzeit objektivste Bezugsgröße darstellen [44]. Preisunterschiede der Medikation je nach Behandlungseinrichtung werden nicht berücksichtigt.

Kosten für teilstationäre und stationäre Behandlung werden nach Expertenbefragung und anhand veröffentlichter Literatur in Form von Tagessätzen festgesetzt [42]. Für die Behandlungen in psychiatrischen Institutsambulanzen werden die Kosten quartalsweise erhoben. Eine Übersicht der zugrunde gelegten Kosten wird in Tabelle 4 gegeben. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in einem Krankenhaus wird konservativ mit 40 Tagen angesetzt, was etwas unter der aktuellen Verweildauer von 41,7 Tagen in der Schizophrenie liegt [3].

Tab. 4. Kosten der unterschiedlichen Therapieoptionen

Medikation

WHO-DDD
[mg]

Kosten
[/Jahr]

Versorgende
Einrichtung

Kosten
[]

Haloperidol-Depot

3,3

223*

Arztpraxis (pro Besuch/Quartal)

19,90/59,90

Risperidon oral

5

1870

Institutsambulanz (pro Quartal)

112,50

Risperidon-Depot

1,8

2904*

Betreutes Wohnen (pro Tag)

64,10

Olanzapin

10

1982

Tagesklinik (pro Tag)

192,60

Clozapin

300

898

Krankenhaus (pro Tag)

296,20

Pflegeheim (pro Tag)

60,60

*Pro Injektion fallen zusätzlich Kosten in Höhe von 9,60  an.

Kosten und Effekte werden ohne und mit Diskontierung von 5% pro Jahr untersucht.

Die Ergebnisse der Modellierung werden mit Hilfe verschiedener univariater Sensitivitätsanalysen auf ihre Plausibilität und Robustheit hin überprüft. Insbesondere werden die Modellergebnisse für den Fall untersucht, dass im oralen Modellarm die Ersttherapie mit oralem Risperidon erfolgt und orales Olanzapin als Zweittherapie eingesetzt wird.

Ergebnisse

Innerhalb eines Behandlungszeitraums von fünf Jahren verbringen Patienten, deren Behandlung mit Risperidon in Depotform beginnt, mit rund 41 Monaten mehr Zeit in ambulanter Behandlung bei ihrem Arzt oder einer Institutsambulanz als die Patienten der beiden anderen Therapiearme. Entsprechend weniger Zeit verbringen sie in den kostenintensiveren, stärker überwachenden Einrichtungen (betreutes Wohnen, Tagesklinik, Krankenhaus, Pflegeheim). Zudem werden sie durchschnittlich 35 Monate und damit länger mit der First-Line-Medikation behandelt als in den Vergleichsarmen. Gleichzeitig bleiben mit 9,9% mehr Patienten über den gesamten Betrachtungszeitraum bei ihrer Ausgangsmedikation im Vergleich zu den weiteren Therapiearmen (Tab. 5).

Tab. 5. Behandlungsergebnisse

Therapiearm
Risperidon-Depot

Therapiearm
Haloperidol-Depot

Therapiearm
Olanzapin

Verbleib bei der First-Line-Medikation [Monate]

35,4

31,1

27

Patienten, die über 5 Jahre bei der First-Line-Medikation verbleiben [%]

9,9

8,9

8,0

Zeit in ambulanter Versorgung [Monate]

40,9

39,2

39,0

Anteil der Patienten mit

≤ 2 Neurezidiven [%]

26,3

18,6

14,3

3 Neurezidiven [%]

38,9

39,8

39,9

> 3 Neurezidiven [%]

34,8

41,6

45,9

Ø PANSS-Wert während eines Rezidivs

110

116

114

Ø PANSS-Wert zwischen Rezidiven

73

79

76

Anzahl neuer Rezidive pro 100 Patienten [n] (ohne Anfangsrezidiv, undiskontiert)

323

345

356

Anzahl neuer Rezidive pro 100 Patienten [n] (ohne Anfangsrezidiv, diskontiert)

289

310

321

Rezidiv-freie Jahre (undiskontiert) [n]

2,41

2,27

2,20

Rezidiv-freie Jahre (diskontiert) [n]

2,28

2,15

2,08

Mit Blick auf die gesamte Patientenpopulation erweist sich der Risperidon-Depot-Therapiearm als überlegene Therapiestrategie. Die Effektivität der Therapie spiegelt sich in den vergleichsweise günstigeren Ergebnissen in der durchschnittlichen Anzahl von Rezidiven, in der über den Betrachtungszeitraum kumulierten Länge psychotischer Phasen, in den rezidivfreien Jahren und in der Schwere der Symptomatik wider.

Hierbei erweist sich der Risperidon-Depot-Therapiearm in der durchschnittlichen Anzahl der Rezidive und der Anzahl rezidivfreier Jahre stärker dominant gegenüber dem Olanzapin-Therapiearm als gegenüber dem Haloperidol-Depot-Therapiearm. Umgekehrt dominiert Risperidon in Depotform stärker gegenüber Depot-Haloperidol und Olanzapin, wenn die durchschnittliche Schwere der Symptomatik berücksichtigt wird. Wird die Prozentzahl der Patienten nach Anzahl erlittener Rezidive betrachtet, zeigt sich der Risperidon-Depot-Therapiearm beiden anderen Therapiearmen überlegen: Eine Erstbehandlung mit langwirksamem Risperidon führt zu dem höchsten Anteil von Patienten, die nach dem Anfangsrezidiv, mit dem alle Patienten in das Modell treten, bis zum Ende des 5-Jahres-Zeitraums nur maximal zwei erneute Rezidive erlitten. Umgekehrt ist der Anteil von Patienten mit über drei Neurezidiven bei Erstbehandlung mit langwirksamem Risperidon deutlich kleiner als unter den Vergleichstherapien (Abb. 2).

Abb. 2. Prozentsatz der Patienten mit weniger oder mehr als drei Neurezidiven

Trotz höherer Medikamentenkosten erweist sich der Risperidon-Depot-Therapiearm mit undiskontierten Gesamtbehandlungskosten über fünf Jahre von 95318 € als Kosten sparend im Vergleich zu den Therapiearmen Haloperidol-Depot (97336 €) und Olanzapin (101414 €). Dieser Einspareffekt zeigt sich auch im Vergleich der diskontierten Gesamtbehandlungskosten (Risperidon-Depot 87284 €, Haloperidol-Depot 88892 € und Olanzapin 92706 €). Mit 5-Jahreskosten von 32170 € in der Tagesklinik und 32814 € im Krankenhaus kommt es insbesondere in diesen betreuungsintensiven Behandlungseinrichtungen zu Einsparungen gegenüber den Therapiearmen Haloperidol-Depot (Tagesklinik: 38073 €, Krankenhaus: 36037 €) und Olanzapin (Tagesklinik: 36111 €, Krankenhaus: 37068 €). Tabelle 6 zeigt alle Kosten-Ergebnisse in der Übersicht.

Tab. 6. Überblick über die Kosten in den drei Behandlungsarmen

Therapiearm
Risperidon-Depot
[]

Therapiearm
Haloperidol-Depot
[]

Therapiearm Olanzapin
[]

Kosten

(undiskontiert)

Behandlung

12339

4459

9044

Arztpraxis

623

581

583

Institutsambulanz

281

318

304

Betreutes Wohnen

12021

11985

12604

Tagesklinik

32170

38073

36111

Krankenhaus

32814

36037

37068

Pflegeheim

5070

5893

5701

Gesamt

95318

97336

101414

Gesamtkosten (diskontiert)

87284

88892

92706

Die Robustheit dieser Ergebnisse wurde in Sensitivitätsanalysen bestätigt. Hier zeigte sich auch, dass im Vergleich der Therapiearme weitere Kosteneinsparungen durch den Einsatz von langwirksamem Risperidon bei Patienten mit einem hohen Risiko der Non-Compliance zu erwarten sind wie auch bei Patienten mit partieller Remission. Auch in dem Fall, dass orales Risperidon statt Olanzapin als initiale Therapie eingesetzt wird, gefolgt von Olanzapin als Zweittherapie und Clozapin als letzter Alternative, bliebe der Risperidon-Depot-Arm die kostengünstigste Alternative.

Im Hinblick auf die Verteilung der Patienten auf Behandlungseinrichtungen im Modell erweisen sich die Modellergebnisse als valide. So reflektiert die Patientenverteilung die Behandlungssituation in Deutschland, wie sie beispielsweise von Bestehorn et al. (1999) [2] ermittelt wurde (Tab. 7).

Tab. 7. Patientenverteilung auf Behandlungseinrichtungen im Modell und nach Bestehorn et al. 1999 [2]

Therapiearm
Risperidon-Depot

Therapiearm
Haloperidol-Depot

Therapiearm
Olanzapin

Nach Bestehorn
et al. 1999 [2]

Niedergelassene Psychiater [%]

58,8

54,8

55,0

51,30

Institutsambulanz [%]

9,3

10,5

10,0

12,70

Betreutes Wohnen [%]

10,2

10,2

10,7

12,40

Tagesklinik1) [%]

9,1

10,8

10,2

-

Krankenhaus (lang- und kurzfristiger Aufenthalt) [%]

6,1

6,5

6,7

9,20

Pflegeheim [%]

10,62)

12,02)

12,02)

13,50

Patienten im Rahmen eines Rehaaufenthalts [%]

3)

3)

3)

0,90

1) Da die Untersuchung von Bestehorn et al. die Tagesklinik nicht als separate Behandlungseinrichtung erfasst, weichen die Modellergebnisse in diesem Punkt leicht ab.

2) Die Angaben stellen eine Schätzung fünf Jahre nach Erfassen der Patienten im Modell dar. Die prozentualen Angaben zu den anderen Behandlungsorten wurden als durchschnittliche Wahrscheinlichkeiten über den gesamten Betrachtungszeitraum von fünf Jahren gebildet.

3) Das Modell enthält keine Schätzungen zu Rehabilitationsaufenthalten. Diese werden ohnehin nur von einem kleinen Anteil der Patienten in Anspruch genommen (weniger als 1% nach Bestehorn et al.)

Diskussion

In dieser Modellanalyse erweist sich der Einsatz von langwirkendem Risperidon in der Wirksamkeit als überlegene Therapieoption und trotz höherer Medikationskosten in der Summe der Gesamtkosten über fünf Jahre als Kosten sparend gegenüber den Vergleichstherapien. Die Vorteile gegenüber modernen oralen Antipsychotika sind in der Hauptsache in der verbesserten Compliance und dem damit verbundenen kontinuierlichen medikamentösen Schutz begründet. Dieser verringert das Risiko von Exazerbationen und senkt die Wahrscheinlichkeit von Rezidiven. Gegenüber klassischen Depot-Neuroleptika kommen hingegen, bei vergleichbarer Compliance, die Vorteile in der Verträglichkeit, Wirksamkeit und insbesondere in der Rezidivprophylaxe zum Tragen, wie sie bereits in klinischen Studien mit oralen klassischen und modernen Neuroleptika nachgewiesen wurden. In beiden Fällen können die höheren Arzneimittelkosten durch vermiedene Überweisungen an Tageskliniken, Krankenhäuser und psychiatrische Einrichtungen kompensiert werden. Dieser Kostenwirkung kommt insofern Bedeutung zu als der größte Anteil der durch Schizophrenie in Deutschland verursachten direkten Kosten durch stationäre Behandlung und Aufenthalte in Fachkrankenhäusern verursacht wird [7, 43]. Die vergleichsweise höheren Medikationskosten im Risperidon-Depot-Therapiearm beruhen in diesem Modell nicht ausschließlich auf den Preisunterschieden zwischen den einzelnen Präparaten, sondern auch darauf, dass Patienten im Risperidon-Depot-Therapiearm aufgrund der besseren Verträglichkeit und Wirksamkeit im Durchschnitt vier und acht Monate länger bei der (teureren) Initialtherapie verbleiben als in den Vergleichstherapiearmen.

Die Modellierung vermag die Versorgung von Schizophrenie-Patienten in den Punkten eingesetzte Medikation, betrachtete Patienten und Schwere der Erkrankung sowie Inanspruchnahme von Behandlungsleistungen und -orten realitätsnah abzubilden. So spiegeln die untersuchten Neuroleptika das aktuelle Vorgehen in der medikamentösen Therapie schizophren Erkrankter wider. Mit Haloperidol-Depot und Risperidon-Depot werden zwei der derzeit für Typika und Atypika verfügbaren Depotformulierungen untersucht. Zusätzlich werden mit Olanzapin und Risperidon die oralen atypischen Neuroleptika in den Versorgungsablauf der drei untersuchten Therapiearme eingebunden, die laut Arzneiverordnungsreport im Jahr 2003 die meisten Verordnungen nach Tagesdosen (Defined Daily Dosages) erzielt haben [44]. In der Vorgabe der Medikationsschemata für die einzelnen Therapiearme wird im Sinne leitliniengerechter Behandlung der Schizophrenie berücksichtigt, dass die Atypika Olanzapin und Risperidon als Behandlungsalternativen zum Einsatz empfohlen werden, wenn der Patient unter Typika trotz Symptomkontrolle an Nebenwirkungen leidet oder trotz medikamentöser Behandlung ein Rezidiv erfährt. Entsprechend steht Clozapin für therapieresistente Patienten am Ende der jeweiligen Behandlungskaskade [31, 32]. Die vom Modell geschätzte Inanspruchnahme ambulanter und (teil-)stationärer Behandlungseinrichtungen entspricht den verfügbaren Daten zur Behandlungssituation in Deutschland. So stimmt der vom Modell geschätzte Anteil von Patienten, die zu einem gegebenem Zeitpunkt ambulant versorgt werden, mit 64 bis 65% in den Olanzapin- und Haloperidol-Armen mit den Berechnungen von Bestehorn et al. überein, die auf einen Patientenanteil in der ambulanten Versorgung von etwa 64% kommen [2]. Der im Modell gewählte Betrachtungszeitraum von fünf Jahren reflektiert das Vorgehen in der Erhaltungstherapie von bereits erkrankten Schizophrenie-Patienten. So empfiehlt die DGPPN in ihrer Leitlinie die Therapie bei Patienten, die nach einer Erstmanifestation eine Remission zeigen, mindestens 12 bis 24 Monate fortzuführen und bei Patienten, die zwei oder mehr Rezidive erlitten haben, mindestens vier bis fünf Jahre [31].

Die Annahmen, auf denen die Modellresultate beruhen, sind konservativ gewählt, um denkbare Einseitigkeiten nach Möglichkeit zu vermeiden und allen untersuchten Wirkstoffen in gleicher Weise gerecht zu werden. So wird angenommen, dass die Dauer eines Rezidivs nicht von der jeweilig eingesetzten Medikation und der Compliance abhängt. Weiterhin wird allen im Modell verwendeten oralen Atypika gleiche Wirksamkeit in Symptombehandlung und Rezidivprophylaxe unterstellt. Schließlich unterscheidet sich die Compliance-Wahrscheinlichkeit unter Haloperidol-Depot und Risperidon-Depot während eines Rezidivs nicht und zwischen Rezidiven nur minimal. Die Einschätzung der Compliance mit mindestens 70% für orale Atypika im ambulanten Bereich und deutlich höheren Werten in den stationären Behandlungsorten ist eher über- als unterschätzt. In einer aktuellen Studie von Rettenbacher et al. [41] liegt die Compliance-Rate bei 54%, und auch in der Übersichtsarbeit von Cramer und Rosenheck [10] werden durchschnittliche Compliance-Raten von 58% bei der Schizophrenie genannt. Da die Vorteile der Risperidon-Depotformulierung bei Patienten mit geringerer Compliance-Wahrscheinlichkeit höher sind, ist anzunehmen, dass die Kosten- und Outcome-Vorteile von langwirksamem Risperidon im Modell eher unterschätzt werden. Die Wahl der Vergleichstherapien schließlich umfasst mit klassischem Depotwirkstoff und modernen oralen Antipsychotika bewusst nur nachweislich relevante und erprobte Behandlungsalternativen. Klassische orale Neuroleptika, die sich beiden Alternativen bereits in klinischen Langzeitstudien und pharmakoökonomischen Analysen als unterlegen gezeigt haben [11, 32, 36], sind in dieser Analyse nicht mehr einbezogen.

Trotz realitätsnaher Abbildung der Behandlungsgegebenheiten und konservativer Annahmen hat diese Modellrechnung auch ihre Limitationen. Mangels valider Daten über die Inanspruchnahme psychotherapeutischer und -edukativer Leistungen wurden diese nicht im Modell berücksichtigt, so dass die ambulanten Behandlungskosten möglicherweise unterschätzt werden. Da kein offensichtlicher Grund zur Annahme besteht, dass die Inanspruchnahme dieser Leistungen von der Art der Medikation abhängt, ist es aber unwahrscheinlich, dass eine solche Unterschätzung die Kosten- oder Effektivitätsergebnisse systematisch zu Gunsten oder zu Ungunsten einer Therapieoption verzerrt. Weiterhin beschränkt sich diese Modellrechung auf direkte Behandlungsleistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (Arztbesuche, Medikation, Krankenhaus, Tagesklinik) oder der Sozialhilfe (Langzeiteinrichtungen, betreutes Wohnen). Aufgrund fehlender Daten über die differenzielle Inanspruchnahme darüber hinausgehender Leistungen wie beispielsweise berufliche Rehabilitation, Rentenzahlungen, Sozialhilfe und Ähnliches wurden diese nicht berücksichtigt.

In der Modellanalyse wird mit dem Einsatz eines vergleichsweise teuren modernen Antipsychotikums in Depotform eine Investition in die medikamentöse Therapie der Schizophrenie geleistet, um in der Folge einen Einspareffekt zu erzielen. In der Realität kann sich die sektorale Budgetierung hierbei als Hindernis erweisen. Wie sich bereits bei der Verordnung moderner oraler Antipsychotika gezeigt hat, verleiten limitierte, vorgegebene Arzneimittelbudgets und -richtlinien dazu, möglichst „Budget schonend“ zu therapieren. In ähnlicher Weise können Limitierungen in der Abrechenbarkeit psychoedukativer und Compliance-fördernder Maßnahmen zu einer Unterversorgung mit diesen Leistungen beitragen. Solche Beschränkungen führten in der Vergangenheit nicht nur zur zögerlichen Verordnung moderner Antipsychotika, wie die DGPPN in ihrem Gutachten zur Über-, Unter- und Fehlversorgung feststellt, sondern auch zu kollektiven Ringüberweisungen und „Drehtüreffekten“ in den Krankenhäusern und zwischen den Sektoren [21]. Weiterhin können Kosteneffekte auch in anderen Zweigen der Sozialversicherung zum Tragen kommen, etwa in der Pflegeversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung.

So läge es im Sinne sowohl der Patienten als auch der Solidargemeinschaft, wenn transsektorale Entlastungen im gesamten System der Sozialversicherung greifen würden. Innerhalb des bestehenden Systems wäre ein erster Anfang, moderne Antipsychotika zur Therapie der Schizophrenie aus dem Budget der Vertragsärzte herauszulösen und Compliance-fördernde Maßnahmen stärker zu fördern, um dem behandelnden Arzt damit die Möglichkeit zu geben, in stärkerem Maße als bisher klinisch und wirtschaftlich relevante Therapieoptionen einzusetzen. Als längerfristiger und nachhaltiger Ansatz aber wäre eine stärkere Integration und Verzahnung der unterschiedlichen ambulanten und stationären Leistungen unter einem gemeinsamen Budget anzustreben. Optimal wäre es, auch darüber hinausgehende Leistungen der Sozialhilfe beispielsweise durch betreutes Wohnen, Rehabilitationsleistungen oder Sozialarbeiter mit einzubeziehen. Dies bedeutet letztlich, den an Schizophrenie Erkrankten den Weg zu einer langfristig rezidivarmen Lebenszeit zu ermöglichen, auf diese Weise den Verbleib in ihrem individuellen sozialen Umfeld zu unterstützen und damit einen Beitrag zur Lebensqualität dieser häufig sozial stigmatisierten Patienten zu leisten.

Danksagung

Diese Untersuchung fand mit Unterstützung durch die Janssen-Cilag GmbH statt. Die Modellierung wurde von PharMerit, Rotterdam, Niederlande durchgeführt. Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Jürgen Fritze für die fachliche Unterstützung bei der Ermittlung von Kosteneinheiten sowie Dr. Erik Buskens, MD, PharMerit, Rotterdam, Niederlande für tatkräftige Mithilfe bei der Modellierung und die kritische Durchsicht des Manuskripts.

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Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, Klinikum der Universität München, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Nussbaumstr. 7, 80336 München Prof. Dr. Gerd Laux, Bezirksklinikum Gabersee, 83512 Wasserburg a. Inn
Prof. Dr. Dieter Naber, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Hamburg, Martinistr. 52, 20251 Hamburg
Prof. Dr. Markus Theodor Gastpar, Rheinische Kliniken Essen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Virchowstr. 174, 45147 Essen
Prof. Dr. Joachim Klosterkötter, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Köln, Kerpener Str. 62, 50924 Köln Prof. Dr. Max Schmauss, Bezirkskrankenhaus Augsburg,Dr.-Mack-Str. 1, 86156 Augsburg Bart Heeg, M.Sc., Aukje Van Gestel, M.Sc., Prof. Dr. Ben Van Hout, PharMerit BV, Alexanderhof, Marten Meesweg 143, 3068 AV Rotterdam, Niederlande
Dr. Angelika Mehnert, Janssen-Cilag GmbH, Raiffeisenstr. 8, 41470 Neuss


Costs and effects of long-acting risperidone in comparison to oral atypical and conventional depot formulations for the treatment of patients with schizophrenia in Germany

In patients suffering from schizophrenia depot formulations can increase long-term compliance and thus decrease relapse rates. Compared to the oral formulations they are associated with higher medication costs, though. In a simulation of long-term treatment (based on available information from double-blind and open studies) it is assessed in how far these additional treatment costs can be counterbalanced by advantages concerning relapse prophylaxis and compliance.

Three treatment options are analysed, each for a cohort of patients in ambulatory care over a period of 5 years: treatment with depot haloperidol, respectively with long-acting risperidone, which is switched to olanzapine or clozapine in case of relapses or side effects and treatment with olanzapine which is switched to oral risperidone and clozapine if needed. Costs of standard medication and medical care are assessed from the perspective of the German statutory health insurance for the base year 2004.

Comparing the treatment options shows that in view of clinical efficacy and cost saving effects, long-acting risperidone is the dominant therapy. At an average of 35 months, long-acting risperidone patients are treated longer with the first-line medication (depot haloperidol 31 months, olanzapine 27 months). Similarly, more patients remain on their first-line medication over the complete treatment period (9.9% long-acting risperidone, 8.9% depot haloperidol, 8.0% olanzapine). Higher medication costs incurred in the ambulatory treatment are compensated by avoided referrals to day care, hospital and psychiatric institutions. With a total of undiscounted treatment costs of 95,318 , long-acting risperidone treatment turns out to be cost-saving (haloperidol depot 97,336 , olanzapine 101,414 ). However, in medical practice investing in the medical treatment with atypical depot formulations is thwarted by medication budgets. For an overall financial relief it would be recommendable to more and more interconnect the different outpatient and inpatient medical services and benefits within a sector-spanning budget.

Keywords: Schizophrenia, long-acting injectable risperidone, conventional depot formulations, cost analysis, Germany

Psychopharmakotherapie 2005; 12(05)