Depression

Johanniskraut-Extrakt so wirksam wie Paroxetin


Dr. B. Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Bei der Behandlung der mittleren bis schweren Depression erwies sich der Johanniskraut-Extrakt WS 5570 als mindestens so wirksam wie Paroxetin, war aber besser verträglich.

Extrakte von Hypericum perforatum (Johanniskraut) zeigten sich bei großen Depressionen leichteren oder mittleren Schweregrads Plazebo-Präparaten überlegen und waren ebenso wirksam wie verschiedene trizyklische Antidepressiva oder der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Fluoxetin. Unklar ist die antidepressive Wirksamkeit von Johanniskraut-Extrakten bei schwereren Depressionen. In der vorliegenden Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit des Johanniskraut-Extrakts WS 5570 (Neuroplant® 1x1) mit dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Paroxetin (z.B. Seroxat®) verglichen. Die Behandlung dauerte sechs Wochen während der akuten Phase; Patienten, die auf die Therapie ansprachen, setzten sie prophylaktisch noch weitere vier Monate fort, um einem Rückfall vorzubeugen.

Zwischen Mai 2000 und Juli 2003 wurden 251 Patienten in 21 deutschen psychiatrischen Erstversorgungszentren rekrutiert. Die Studienteilnehmer waren zwischen 18 und 70 Jahre alt und litten einmalig oder wiederkehrend an mittleren oder schweren Episoden einer unipolaren größeren Depression ohne psychotische Merkmale, die zwischen ein und zwei Jahren anhielten.

Die Probanden wurden randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt, deren demographische und klinische Parameter vergleichbar waren. In jeder Gruppe wies mehr als die Hälfte der Patienten eine Gesamtpunktezahl von ≥25 auf der Hamilton-Depressionsskala auf und litt somit unter einer schweren Depression.

Während der sechswöchigen Behandlung erhielt die eine Studien-Gruppe täglich dreimal 300 mg Johanniskraut-Extrakt, die andere einmal täglich 20 mg Paroxetin. Bei Patienten, bei denen die Gesamtdepressionspunktezahl nach zweiwöchiger Therapiedauer nicht um mindestens 20% abgenommen hatte, wurde die Dosis auf dreimal täglich 600 mg Johanniskraut-Extrakt oder einmal 40 mg Paroxetin pro Tag erhöht. Von der Umstellung auf eine höhere Dosierung waren 69 der 122 mit Johanniskraut-Extrakt behandelten Probanden (57%) und 58 von 122 Paroxetin-behandelten Probanden (48%) betroffen.

Nach sechs Wochen hatte die Gesamtpunktezahl auf der Hamilton-Depressionsskala in der Johanniskraut-Extrakt-Gruppe durchschnittlich um 14,4 Punkte (57% des Ausgangswerts) und in der Paroxetin-Gruppe um 11,4 Punkte (45% des Ausgangswerts) abgenommen. Am Ende der akuten Behandlungsphase zeigten 86 von 122 Patienten (71%) mit Johanniskraut-Extrakt und 73 von 122 (60%) mit Paroxetin ein Ansprechen auf die Therapie; eine Remission wurde bei 50% bzw. 35% festgestellt. Neben der Hamilton-Depressionsskala wurden auch mit anderen standardisierten psychiatrischen Skalen Unterschiede zwischen den Behandlungs-Gruppen zu Gunsten von Hypericum gefunden.

Unter der Therapie berichteten 69 von 125 Probanden (55%), die Johanniskraut-Extrakt einnahmen, über 172 unerwünschte Wirkungen und 96 von 126 Probanden (76%), die Paroxetin erhielten, über 269 unerwünschte Ereignisse. Die Häufigkeiten lagen bei 0,035 unerwünschten Wirkungen pro Behandlungstag für Johanniskraut-Extrakt und 0,060 für Paroxetin. Am stärksten betroffen war der Gastrointestinaltrakt (59 Ereignisse bei 42 Patienten unter Johanniskraut-Extrakt und 106 Ereignisse bei 67 Probanden unter Paroxetin), gefolgt vom Nervensystem (35 Störungen bei 29 Patienten der Johanniskraut-Extrakt-Gruppe und 61 bei 43 Probanden der Paroxetin-Gruppe).

Die vorliegenden Ergebnisse belegen die antidepressive Wirkung des Johanniskraut-Extrakts WS 5570 bei mittleren und schweren Depressionen. Johanniskraut-Extrakt scheint eine Alternative zu den Standarddepressiva zu sein, insbesondere wegen seiner guten Verträglichkeit. Langzeitwirkung und mögliche Interaktionen mit anderen Arzneistoffen sollten noch weiter untersucht werden.

Quelle

Szegedi A, et al. Acute treatment of moderate to severe depression with hypericum extract WS 5570 (ST John’s wort): randomised controlled double blind non-inferiority trial versus paroxetine. BMJ 2005;330:503–6.

Psychopharmakotherapie 2005; 12(05)