Alzheimer-Erkrankung

Galantamin und Memantin kombinierbar


Alexandra Hennemann, Stuttgart

Zwischen dem kompetitiven Acetylcholinesterase-Hemmer Galantamin und dem NMDA-Rezeptorantagonisten Memantin bestehen keine Therapie-relevanten Wechselwirkungen, wie eine kleine Interaktionsstudie mit 16 gesunden Probanden ergab.

Galantamin (Reminyl®) wird zur Therapie der Alzheimer-Erkrankung im leichten bis mäßigen Stadium eingesetzt, Memantin (Axura®, Ebixa®) im mäßigen bis fortgeschrittenen Stadium. Denkbar ist die zusätzliche Gabe von Memantin zu einer Galantamin-Therapie. Galantamin wirkt als kompetitiver, reversibler Hemmstoff der Acetylcholinesterase (AChE) sowie als allosterischer Modulator an zwei nicotinischen Rezeptor-Subtypen (α4β2 und α7). Der Arzneistoff hat eine Bioverfügbarkeit von 90% und eine terminale Eliminationshalbwertszeit (t1/2) von 7 Stunden. Am Abbau sind vor allem die Cytochrom-P450-Isoenzyme CYP2D6 und CYP3A4 beteiligt. Die Pharmakokinetik ist im Dosierungsbereich zwischen 8 und 32 mg täglich linear.

Memantin bindet dagegen als nicht-kompetitiver N-Methyl-D-aspartat(NMDA)-Rezeptorantagonist vorwiegend an NMDA-abhängige Kationenkanäle im ZNS und verhindert so die Aktivierung des Rezeptors durch Glutamat. Memantin zeigt im therapeutischen Dosisbereich bis 20 mg täglich ebenfalls eine lineare Kinetik. Memantin erreicht die maximale Plasmakonzentration nach 3 bis 7 Stunden (tmax) und hat eine t1/2 von 60 bis 80 Stunden. Der Großteil der Dosis von etwa 60 bis 80% wird unverändert mit dem Urin ausgeschieden, Cytochrom-P450-Enzyme werden kaum gehemmt. Memantin verändert den Abbau des AChE-Hemmers Donepezil (Aricept®) nicht. In einer In-vitro-Studie blieb die Wirkung von reversiblen AChE-Inhibitoren wie Galantamin bei der Kombination mit Memantin erhalten.

Um eine Kombinationstherapie klinisch zu beurteilen, wurden mögliche Veränderungen der Pharmakokinetik von Galantamin im Steady State durch wiederholte Gaben von Memantin in einer offenen, einarmigen Studie untersucht. Die 16 gesunden Probanden durften außer oralen Kontrazeptiva, Schilddrüsenhormonen und Paracetamol keine Begleitmedikation einnehmen. Sie erhielten über 4 Wochen die beiden Arzneistoffe nach dem Dosierschema in Tabelle 1. Interaktive Nahrungsbestandteile wie Grapefruit-Saft und Coffein waren verboten.

Tab. 1. Dosierschema

Galantamin ER

Memantin

Woche 1

8 mg 1 x tgl.

Woche 2

16 mg 1 x tgl.

Woche 3
Tag 1 bis 2

16 mg 1 x tgl.

10 mg 1 x tgl.

Woche 3
Tag 3 bis Ende der Woche 4

16 mg 1 x tgl.

10 mg 2 x tgl.

Steady State
erwartet

An Tag 2

An Tag 11

ER: extended release, Freisetzung des Wirkstoffs aus den Kapseln zu 25% sofort und zu 75% verzögert.

15 von 16 Probanden beendeten die Studie. Die im Wesentlichen unveränderten pharmakokinetischen Parameter finden sich in Tabelle 2. Eine Steady-State-Plasmakonzentration wurde für Galantamin am Ende der zweiten Woche und für die Kombination am Ende der vierten Woche erreicht. Die Flächen unter der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve (AUC) von Galantamin als Monotherapie und in Kombination mit Memantin waren vergleichbar. Die Gabe von zweimal täglich 10 mg Memantin veränderte die Pharmakokinetik von einmal täglich 16 mg Galantamin täglich nicht.

Tab. 2. Pharmakokinetische Parameter: Galantamin als Monotherapie und in Kombination mit Memantin (Mittelwert und Standardabweichung)

Galantamin-
Monotherapie

Galantamin
plus Memantin

Cmax [ng/ml]

52,5 + 9,64

51,5 + 8,52

AUC24 h [ng x h/ml]

830 + 177

825 + 156

Css,av [ng/ml]

34,6 + 7,4

34,4 + 6,5

tmax [h]

4,63 + 1,15

5,67 + 1,05

Cl/F [ml/min]

337 + 78,1

335 + 66,6

Ctrough [ng/ml]

17 + 6,26

17,6 + 6,76

Css, av: Mittlere Plasmakonzentration im Steady State, Cl/F: orale Clearance, Ctrough: Talspiegel im Steady State

Als sekundärer Parameter wurden in der Studie auch Sicherheit und Verträglichkeit der Therapie untersucht. Alle Probanden berichteten über meist leichte Nebenwirkungen. Die häufigsten waren Kopfschmerz (n = 11), Benommenheit (n = 8) und Müdigkeit (n = 7). Benommenheit wurde von 8 Probanden während der Kombinationstherapie, aber nur von einem während der Galantamin-Monotherapie berichtet. Auch Müdigkeit war mit der Kombination etwas häufiger. Eine Kopfschmerzepisode mit 16 mg Galantamin sowie eine Psychose während der Kombinationstherapie wurden als schwere Nebenwirkungen eingeordnet. Der Patient mit der Psychose brach die Studie ab. Die Psychose ist möglicherweise auf Memantin zurückzuführen, das zu Dysphorie und Halluzinationen führen kann. Ein Proband zeigte zu Beginn und mehrfach während der Studie einen grenzwertigen QTc-Wert. Ein weiterer hatte einen Grenzwert zu Beginn und einen verlängerten Wert am Tag 1 von Woche 4. Bei beiden hatten sich die Werte am Ende der Studie normalisiert. Eine Synkope während der Monotherapie mit 16 mg Galantamin war offenbar nicht auf die Medikation zurückzuführen. Klinisch relevante Veränderungen der Laborparameter wurden nicht beobachtet.

Die Autoren folgern, dass keine therapeutisch relevanten Interaktionen zwischen den beiden Wirkstoffen auftreten und eine Dosisanpassung bei kombinierter Therapie nicht notwendig ist.

Quelle

Yao C. Steady-state pharmacokinetics of galantamin are not affected by addition of memantine in healthy subjects. J Clin Pharmacol 2005;45:519–28.

Psychopharmakotherapie 2005; 12(05)