Bipolare Depression

Augmentationstherapie mit hoch dosiertem Levothyroxin – einen Versuch wert


Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg

Die Hypothese, dass die Persistenz einer bipolaren Depression thyreogen bedingt sein könnte, wird durch die Ergebnisse einer PET-kontrollierten Pilotstudie unterstützt.

Zusammenhänge zwischen Schilddrüsendysfunktion und affektiven Störungen werden schon seit mehr als 100 Jahren untersucht. Inzwischen können dafür auch bildgebende Verfahren wie die FDG-PET (Fluorodesoxyglucose-Positronenemissionstomographie) genutzt werden.

Beispielsweise ließen sich bei depressiven Patienten mit Hypothyreose spezifische Veränderungen der metabolischen Aktivität im parietalen und präfrontalen Kortex nachweisen, die sich parallel zu der durch Schildrüsenhormon-Substitution bewirkten Stimmungsaufhellung wieder zurückbildeten.

Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass besonders bei bipolarer Depression der Krankheitsverlauf instabiler ist, wenn die Konzentration an freiem T4 im unteren statt im oberen Normbereich liegt. Diese Konstellation ist bevorzugt bei Frauen zu erwarten, da sie häufiger als Männer an latenten oder manifesten Schilddrüsenfunktionsstörungen leiden und auch vulnerabler auf die thyreotoxischen Effekte von Lithium-Ionen reagieren. Weiterhin ist bei bipolaren Frauen die depressive Krankheitskomponente weitaus dominanter als die manische.

Ob sich aus diesen Erkenntnissen therapeutische Strategien ableiten lassen, wurde kürzlich im Rahmen einer Pilotstudie untersucht. Teilgenommen haben zehn Patientinnen, die sich in einer depressiven Phase im Rahmen einer seit durchschnittlich zwanzig Jahren bestehenden bipolaren Störung befanden. Einschlusskriterium war die Resistenz gegen einen mindestens sechswöchigen Behandlungsversuch mit einem Antidepressivum in Standarddosis. Die Frauen mussten euthyreot sein und durften seit zwei Monaten keine Schilddrüsenhormone eingenommen haben.

Im Sinn einer Augmentationsbehandlung nahmen alle Patientinnen unter Beibehaltung der psychopharmakologischen Basistherapie täglich 300 µg Levothyroxin ein. Diese Behandlungsstrategie führte innerhalb der Studienlaufzeit von sieben Wochen zu einem statistisch signifikanten Rückgang der depressiven Symptomatik (Abb. 1). Die Evaluation nahm ein nicht in den Studienablauf involvierter – also „geblindeter“ – Arzt auf der Basis von HAMD (Hamilton Depression Rating Scale) und BDI (Beckstein Depressions Score) vor.

Abb. 1. Rückgang der depressiven Symptomatik bei Patientinnen mit therapierefraktärer bipolarer Depression (n=10) unter einer Augmentationstherapie mit 300 µg Levothyroxin pro Tag [nach Bauer M, et al. 2004]

Parallel dazu wurden per FDG-PET die Auswirkungen der Levothyroxin-Substitution auf den regionalen zerebralen Glucose-Stoffwechsel untersucht. Der Ausgangsbefund (vor Studienbeginn) ließ bei den bipolaren Patientinnen eine im Vergleich zu zehn gesunden Frauen (angepasste Kontrollgruppe, im Mittel 36 Jahre alt) höhere metabolische Aktivität in präfrontalen, limbischen und subkortikalen Regionen erkennen. Diese Veränderungen hatten sich am Ende der siebenwöchigen Behandlungsphase weitgehend normalisiert. Statistisch signifikant (p<0,01) war die Deaktivierung (jeweils rechtsseitig) in Amygdala, Hippokampus, ventralem und dorsalem Striatum und Thalamus sowie im rechten und linken Zerebellum.

Diese vielversprechenden Ergebnisse sollen in einer internationalen Multizenterstudie unter plazebokontrollierten Bedingungen überprüft werden. Die Rekrutierung – unter anderem in sechs deutschen Zentren – hat begonnen. Finanziert wird diese Forschungsinitiative durch das Stanley Medical Research Institute (Bethesda/USA).

Quelle

Prof. Dr. med. Michael Bauer, Berlin, 4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V., Hamburg, 9. bis 11. September 2004.

Psychopharmakotherapie 2005; 12(05)